Zeichnungen der Graphischen Sammlung im Wallraf werden kunsttechnologisch untersucht Zeichnung unterm Mikroskop

Es ist „nur“ eine kleine Kabinett-Ausstellung, die aber spannender nicht sein könnte. Abseits von den großen Blockbustern lädt das Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud dazu ein, in Material und Technik der Zeichnung auf Papier ungewöhnlich tief einzutauchen. Die Ausstellung „Zeichnung im Labor – Papier trägt Kunst“ läuft noch bis zum 18. Februar 2024.

Die Ausstellung in der Barockabteilung des Museums zeigt Handzeichnungen von niederländischen Künstlern, einem Sammlungsschwerpunkt der Graphischen Sammlung des Wallraf. Seit 2021 wird diese hauseigene Sammlung an niederländischen Zeichnungen des 16. bis 19. Jahrhunderts kunsthistorisch und kunsttechnologisch erforscht. Die aktuelle Ausstellung ist gewissermaßen ein Zwischenbericht. Der Fokus liegt dabei sowohl auf dem Papier als auch auf der Zeichentechnik und den Materialien, die von den Künstlern für ihre Zeichnungen verwendet wurden. Letztlich gehört diese Detailarbeit zu den wesentlichen Faktoren, um etwa Zu- oder Abschreibungen begründen zu können.

Entwickelt wurde die Präsentation von Thomas Klinke, der seit vielen Jahren als Kunsttechnologe und Restaurator am Museum und im Forschungsprojekt „Expedition Zeichnung“ wirkt. Er untersucht die Zeichnungen von ihrer technischen Seite und geht unter Anwendung von Gegenlicht, Streiflicht, Infrarot und ultravioletter Strahlung als Forscher auf  Spurensuche. Die Restaurierung der Blätter liegt in den Händen von Melanie Lindner. Im lesenswerten Katalog zur Ausstellung stellen die beiden nun ihre vorläufigen Ergebnisse vor. Damit die Besucher:innen, unabhängig von ihren Vorkenntnissen über die Zeichentechnik der niederländischen Künstler des 17. Jahrhunderts, dies nachvollziehen können, arbeitet man mit bis zu 500-fach vergrößerten Mikroskopaufnahmen. So werden auch winzige Details sichtbar. 

Die behandelten Themen in der Ausstellung zu Papier, Techniken und Materialien sind vielfältig. Wir haben nach unserem Besuch einige Beispiele herausgegriffen.

Im Katalog beschreibt Thomas Klinke seine „detektivische Suche nach Spuren und Indizien. Das Material der Zeichenmittel, die Reihenfolge und mögliche Kombination ihrer Anwendung sowie die Instrumente, mit denen sie – im Falle flüssiger Medien – aufgebracht wurden, stehen im Fokus einer jeden Fahndung.“ So könne man im Falle des „Kopf eines Jünglings mit Mütze“ des Utrechter Künstlers Jan van Bronchorst zunächst vermuten, dass es sich um eine Graphit- oder Bleistiftzeichnung handelt. Im Mikroskop zeigte sich aber der Abrieb einer Blei-Zinn-Legierung, die auf den Einsatz eines Bleigriffels schließen lässt.

Hier geht es um den Rötel als weit verbreitetes Zeichenmaterial. Die rote Naturkreide wurde für den freundlich schauenden Putto verwendet und man erkennt, wie die Farbigkeit des Minerals je nach Andruck auf dem Blatt variiert.  

Thomas Klinke: „In welch virtuoser Weise sich flüssige Zeichenmedien auf engstem Raum geradezu malerisch kombinieren lassen, zeigt die kleinformatige Zeichnung des noch jungen Rembrandt-Schülers Nicolas Maes. Für die „Gruppe von drei Personen“, die er wohl nach dem gängigen Schema für ein repräsentatives Gruppenbild der niederländischen Schule entwarf, nutzte der Zeichner braune Tinten, darunter Eisengallustinte und Bister, sowie graue Tusche, die er in unterschiedlichen Verdünnungen zur Lavierung aufbrachte.“

Um 1600 tritt in der niederländischen Zeichnung der Graphischen Sammlung im Wallraf farbiges Kolorit auf. In der „Dorfschule“ hat die Farbe eine erzählerische Funktion. Die Zeichnung ist mit schwarzer Kreide gefertigt und teils mit deckender Gouachefarbe, teils mit lasierender brauner Tinte und roter Tinte ergänzt worden. Hier finden sich Licht- und Farbakzente in Rot und Blau inmitten einer in dunklen Brauntönen gehaltenen Umgebung. In diesem Motiv zeigt sich die formale und materielle Nähe von Zeichnung und Malerei.

Interessant ist auch die Zeichnung, die Paulus Pontius nach dem in Öl gemalten Selbstbildnis von Peter Paul Rubens anfertigte. Die Zeichnung war wohl als Vorlage für einen Kupferstich gedacht. Überraschenderweise sind die Augen durch ihre Zeichenmaterialien unterschiedlich aufgebaut. Zwar sind beide Pupillen mit schwarzer Tusche und weißer Kreide gezeichnet. Aber als das linke Auge von Rubens dem Künstler wohl zunächst zu dunkel geriet, hellte er die Stelle mit einem wässrig gebundenen Weiß, wohl aus weißer Kreide, auf. Obwohl nur Schwarz und Weiß verwendet wurden, wirkt das Auge nun nach der Korrektur blau. Für Thomas Klinke erhöht sich durch den Fauxpas der Reiz des Porträts.

Die Ausstellung besuchte (und fotografierte) Gudrun von Schoenebeck von der Online-Redaktion.

Link:

„Zeichnung im Labor – Papier trägt Kunst“ im Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud bis 18.02.2024; Katalog mit 80 Seiten und 73 farbigen Abbildungen (12 Euro) 

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