Zoom auf van Eyck Details ganz groß

In der Berliner Gemäldegalerie ist bis zum 3. März 2024 die Sonderausstellung „Zoom auf van Eyck“ zu erkunden. Diese rückt eine interaktive, digitale Projektion in den Mittelpunkt. Zugleich präsentiert sie Originale van Eycks aus den eigenen Museumsbeständen und ergänzt diese um Erkenntnisse aus Konservierung, Restaurierung und kunsttechnologischer Forschung. Ein besonderes Erlebnis entsteht durch die Kombination der drei Ausstellungsteile.

Facing Van Eyck. The Miracle of Detail, Bozar Centre for Fine Arts Brussels, 2020, Foto: Philippe De Gobert

Kein Detail entgeht uns mehr.
Hochauflösende Fotografien ermöglichen es heute, Kunstwerke bis in den kleinsten Winkel zu erkunden. Eine Leistung, die das bloße Auge kaum oder gar nicht zu vollbringen vermag.

Besonders beeindruckend ist die Möglichkeit des „Hinein-Zoomens“ bei den Meisterwerken des Künstlers Jan van Eyck (um 1390/1400–1441). Wie kaum ein anderer Maler der europäischen Kunstgeschichte vermochte er es, winzigste Details mit großer Brillanz und Präzision wiederzugeben. In vielen hauchzarten Pinselstrichen bannte van Eyck die Vielfalt der sichtbaren Welt auf vergleichsweise kleine Bildformate.

33 seiner Gemälde sind bis heute erhalten geblieben. Alle diese Werke sowie einige Miniaturen sind mittlerweile digital erfasst. Von 2014-2020 fertigte das Königliche Institut für Künstlerisches Erbe (KIK-IRPA) in Brüssel im Rahmen des Van Eyck Research in OpeN Access-Projekts, kurz: VERONA, hochauflösende Fotografien und nutzte diese als Grundlage für die Projektion, die 2020/21 in Brüssel erstmals öffentlich präsentiert wurde und auf reges Interesse stieß.

Durch die interaktive Projektion im Mittelpunkt der Ausstellung können sich die Betrachter:innen von der Gesamtansicht der Gemälde in Detailaufnahmen „hineinzoomen“. Den Bildausschnitt bestimmen sie dabei jeweils selbst. Die Vergrößerungen zeigen winzige Einzelheiten der Werke hochauflösend in Wandgröße. Details wie Augen, Münder oder Hände können miteinander verglichen, winzigste Feinheiten von den Härchen oder Pupillen der Figuren bis hin zu den Pinselstrichen des Meisters nachverfolgt werden.

Eben jene Präsentation ist nun zum zweiten Mal überhaupt zu erleben. Sie bildet den Mittelpunkt der Berliner Sonderausstellung, die ohne die Leihgabe der KIK-IRPA gar nicht zustande gekommen wäre. Tatsächlich springt die Faszination für die feinteilige Malerei des flämischen Meisters besonders gut über, wenn Projektion und Original zusammentreffen. Erst das Zusammenspiel von Klein und Groß macht begreifbar, wie hauchzart der Künstler auf kleinster Fläche gearbeitet hat. Durch Lupen unter den neun Originalen aus dem Berliner Bestand können die Besucher:innen versuchen, ebenfalls Details zu erkunden – und sie werden merken, dass dies nicht annähernd so gut gelingt wie auf den hochauflösenden Fotografien aus Brüssel oder den Mikroskop-Aufnahmen der Restaurator:innen.

Nicht nur das Wirken des Künstlers erschließt sich somit auf ganz besondere Weise. Durch das Nebeneinander von Detailaufnahmen und Originalen wird auch sichtbar, mit welch hoher Präzision die Restaurator:innen Hand an die Werke legen – und welch wertvollen Beitrag sie zur Forschung leisten.

Der dritte Ausstellungsteil in der linken Raumhälfte beleuchtet die kunsttechnologischen Untersuchungen und Restaurierungen von drei der van Eyck’schen Werke der Gemäldegalerie. Die systematischen kunsttechnologischen Untersuchungen sind seit 2015 im Rahmen der Erstellung eines wissenschaftlichen Bestandskatalogs der niederländischen und französischen Malerei des 15. Jahrhunderts durchgeführt worden. Hierbei arbeiteten Restaurator:innen und Kunsthistoriker:innen, ein technischer Fotograf und ein Holzbiologe in der Gemäldegalerie interdisziplinär zusammen.

Neben Malschichtoberflächen und Firnissen erforschte das Team auch tiefere Farbschichten, Unterzeichnung, Grundierung und Bildträger. Zu den Untersuchungsmethoden gehörten Stereomikroskopie sowie bildgebende Verfahren wie UV-Fluoreszenz-Untersuchung, Infrarot-Reflektografie und Röntgenaufnahmen. Auch erfolgten weitergehende Material- und Mikro-Röntgen-Fluoreszenz-Analysen. Auf diese Weise konnten viele neue Informationen über Materialität, Entstehungsprozess und Objektgeschichte der Gemälde gewonnen werden, die in der Ausstellung vermittelt werden.

Ein prägnantes Beispiel ist das Gemälde der Kirchenmadonna, bei dem die Restaurator:innen herausfanden, dass die Malerei der Glasfenster mit Blattsilber hinterlegt wurde – eine Technik, wie sie aus Lüstermalereien an vor allem Skulpturen bekannt ist und die dazu beiträgt, Lichteffekte gekonnt wiederzugeben. Die Inszenierung von Licht ist eine Fingerfertigkeit, für die Jan van Eyck bekannt ist.


Gezeigt werden außerdem kunsttechnologische Erkenntnisse an der Kreuzigung Christi. Die Autorschaft van Eycks an diesem Werk ist in der Forschung umstritten. Allerdings zeigt die IR-Reflektografie eine für ihn typische, ausführliche Unterzeichnung mit Metallstift und unterschiedlich feinen Pinseln. Zudem ist an dem Werk nachvollziehbar wie herausfordernd und anspruchsvoll restauratorische Maßnahmen sein können. Die Firnisabnahme an diesem Bild erfolgte nicht nur aus ästhetischen Gründen. Sie war auch konservatorisch notwendig, denn die Malschicht wurde nur noch durch die Firnisschicht zusammengehalten. Somit musste die Restauratorin Dr. Babette Hartwieg direkt nach der Firnisabnahme Partie für Partie die aufstehenden Schollen festigen.

Zwei weitere Restaurierungen betrafen Hauptwerke der Gemäldegalerie: das Porträt des Baudouin de Lannoy und das sogenannte Arnolfini-Bildnis. Neben konservatorischen Maßnahmen zur Sicherung der Bildschichten führte die Restauratorin Sandra Stelzig auch die Abnahme stark gealterter, späterer Überzüge und Übermalungen auf der Malerei durch. Dabei konnte sie nicht nur die Lesbarkeit der Werke deutlich steigern, sie stieß auch auf Jan van Eycks Fingerabdrücke, die er im Gewand des Mannes mit rotem Chaperon beim Auftupfen der grünen Lasur hinterließ.

Die Schau „Zoom auf van Eyck. Meisterwerke im Detail“ bereitet somit im Kleinen und Großen Sehvergnügen. Kuratiert wird sie von einem Kuratoren-Restauratorin-Duo: Stephan Kemperdick ist Kurator für deutsche, niederländische und französische Malerei vor 1600, und Sandra Stelzig ist Restauratorin an der Gemäldegalerie.

Wer es bis Anfang März nicht nach Berlin schafft, der kann auf der Website der Staatlichen Museen Berlin einige Details zur kunsttechnologischen Forschung nachlesen:

Rahmendaten zur Ausstellung:

Zoom auf van Eyck
Meisterwerke im Detail
20.10.2023 bis 03.03.2024
Gemäldegalerie
Matthäikirchplatz · 10785 Berlin

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