Interview zur Neuerscheinung Wie rettet man Kunst? Und wie schreibt man darüber?

Passend zur Leipziger Buchmesse im April 2023 ist ein neues Kunstbuch erschienen. Darin geben zwei Restauratorinnen mit viel Humor und Charme Einblick in ihre Arbeitswelt. Auf dem Büchermarkt zählt das Werk aktuell zu den sieben besten Büchern für junge Leser:innen, so nachzuhören im Deutschlandfunk.

Im Interview sprechen wir mit den Autorinnen Fabienne Meyer und Sibylle Wulff sowie der Illustratorin Martina Leykamm über den Weg von der ersten Idee bis hin zum fertigen Buch – und über viele bunte Lieblingsseiten.

Mit Witz und Charme zeigt das Buch, wie man Kunstwerke bewahrt.

Liebe Fabienne, liebe Sibylle, Ihr seid ja Restauratorinnen. Wie seid Ihr auf die Idee gekommen, ein Buch über Euren Beruf zu verfassen?

Sibylle Wulff: Die Idee ist bei der Arbeit, bei Seminaren mit den Studentinnen und Studenten des Studiengangs Kunstgeschichte an der Universität Leipzig entstanden. Und auch bei Vorträgen zu unseren Restaurierungsprojekten vor interessiertem Publikum. Dabei habe ich bemerkt, dass die meisten nur eine vage Vorstellung haben, was wir machen und können und um wie viele verschiedene Dinge wir uns in unserem Berufsalltag kümmern. Und auch, bei welchen Fragestellungen es sinnvoll ist, uns einzubeziehen. 

Im Vorwort stellen sich die Macherinnen des Familienbuches vor.

Was wolltet Ihr unbedingt vermitteln?

Fabienne Meyer: Außerhalb der Restaurierungswelt gibt es manchmal das Bild von Restauratorinnen und Restauratoren, die – übertrieben ausgedrückt – etwas kauzig vor sich hintüfteln und mit viel „Geduld und Spucke Kunstwerke wieder zum Strahlen bringen“. Dieses Bild spiegelt sich übrigens auch in der Eingruppierung von Restauratorinnen und Restauratoren im Öffentlichen Dienst wider. Uns war wichtig, dieses Klischee auf spielerische Weise und ohne erhobenen Zeigefinger zurechtzurücken, und die ganze Bandbreite unseres Berufes bzw. des Berufsalltags im Museum zu zeigen. Objektuntersuchungen, die Beantwortung kunsttechnologischer Fragen und die präventive Konservierung gehören ebenso dazu wie die Arbeit am Objekt selbst.

Das Buch lebt von reichen Illustrationen. Ein Blick ins Restaurierungsatelier darf nicht fehlen.

Warum ein Buch für die ganze Familie?

Sibylle Wulff: Es sollte kein trockenes Sachbuch werden, sondern die Informationen mit Witz und Charme vermitteln. Von unserem Verleger kam die Idee, uns auch an Kinder zu wenden und wir fanden das super. Das Buch erzählt eine lustige und spannende Geschichte, die sich an Kinder richtet, aber auch interessierte Jugendliche und Erwachsene, die tiefer in unsere Berufswelt einsteigen möchten, kommen auf ihre Kosten.

Ab welchem Zeitpunkt war klar, dass das Buch eine reiche Illustrierung benötigt?

Fabienne Meyer: Schon bei der Ideenfindung war klar, dass ein Bild mehr sagen kann als viele Worte und deshalb neben vielen Fotos auch Illustrationen notwendig sind. Als wir Martina erzählt haben, was wir den ganzen Tag so tun, und sie anfing das Gesagte in Bilder umzusetzen, wussten wir, dass wir die perfekte Illustratorin für unser Buch gefunden hatten.

Das Buch beginnt wie ein Krimi mit einem Raub im Museum.

Wie waren die Abläufe von der Idee zum Buch bis hin zum fertigen Druckwerk? Hattet Ihr schon ein fertiges Manuskript in der Schublade liegen und dann einen Verlag gesucht oder lief das anders?

Sibylle Wulff: Ja, das Manuskript war nahezu fertig, aber hat sich dann im Laufe unserer gemeinsamen Arbeit nochmal ziemlich stark verändert. Die ursprünglich über 80 Seiten Text wurden immer mehr in Bilder übersetzt.
Bei einem gemeinsamen Kurzurlaub mit Fabienne Meyer 2020 habe ich ihr einen Packen Papier mit dem ersten Entwurf hingelegt und sie gefragt, ob sie es evtl. einmal lesen könnte und was sie davon hielte. Als die Reaktion positiv ausfiel, war ich sehr glücklich, dass sie sich darüber hinaus vorstellen konnte bei dem Projekt als „zweite Fachrichtung“ mitzumachen.
Bei der Buchmesse 2020 habe ich auf dem Stand des Karl-Rauch-Verlages das Buch „Wie kommt die Kunst ins Museum“ entdeckt und die nette Dame am Stand auf die Idee angesprochen, ein Buch über unseren Beruf zu schreiben. Nachdem sie sehr aufgeschlossen reagiert und mich ermutigt hat ein paar Entwurfsseiten zu schicken, haben wir losgelegt. Trotzdem dauerte es noch fast ein Jahr, bis wir so weit waren. Wir wollten für die Bewerbung bei den Verlagen ein bis zwei illustrierte und bebilderte Seiten einreichen, um zeigen zu können, wie wir uns das Buch vorstellen. An dieser Bewerbung haben wir also schon gemeinsam gearbeitet. Nach dem Einreichen der Bewerbung ging es dann sehr schnell. Vom Vertragsabschluss im Frühjahr 2021 bis hin zur Abgabe an die Druckerei sind knapp eineinhalb Jahre vergangen.

Wie untersucht man Kunst (oben) und warum soll man mit Künstler:innen sprechen (unten)?

Ihr seid ja in unterschiedlichen Städten zu Hause: in Berlin und Leipzig. Wie hat das mit dem Schreiben und Besprechen funktioniert?

Sibylle Wulff: Wir haben uns wochen- und wochenendweise, manchmal auch für einzelne Tage verabredet und uns für die gemeinsame Arbeit gegenseitig in Berlin, Leipzig und Brandenburg besucht. Manchmal haben wir uns auch zu Schreib-/Arbeitstagen verabredet, an denen jede für sich zu Hause gearbeitet hat. Wir haben uns dann bestimmte Seiten vorgenommen und uns in zwei, drei kurzen Videobesprechungen dazu ausgetauscht. Auch die Besprechungen und Treffen mit dem Verlagsleiter Hans-Gerd Koch (Köln), dem Lektor Ondřej Buddeus (Prag) und dem Graphiker Sebastian Maiwind waren wichtig.

Liebe Frau Leykamm, Sie sind Kommunikationsdesignerin und haben die vielen wundervollen Bilder ins Buch gebracht. Hatten Sie davor schon einmal ein Buch zum Thema Kunst oder Museum illustriert?

Martina Leykamm: Nein, das Thema war neu für mich. Natürlich interessiere ich mich als Illustratorin für Kunst, aber über den Arbeitsalltag in einem Museum wusste ich vorher nicht viel.

Was haben Sie beim Zeichnen über den Beruf gelernt?

Martina Leykamm: Jede Menge! Meine Vorstellung von Restaurierung war eher die eines Handwerks. Und tatsächlich haben wir minutiös die illustrative Darstellung verschiedener Handgriffe diskutiert. Durch unsere Gespräche habe ich aber auch viel über die wissenschaftlichen, organisatorischen und ethischen Aspekte des Berufs erfahren. Das war hochinteressant und hat meine Sicht auf Kunst enorm bereichert.

Viele Gefahren lauern.

Abschließend eine Frage an alle drei Macherinnen: Was ist Ihre Lieblingsseite im Buch und warum?

Martina Leykamm: Die Liste der Materialien, aus denen Kunst gemacht sein kann. Seit meiner Kindheit liebe ich Listen aller Art, und dass das hier in Reinform Platz gefunden hat, zeigt die Offenheit des Verlags für ungewöhnliche Lösungen.

Fabienne Meyer: Das Bestiarium. Ich muss selbst immer wieder lachen, wenn ich mir diese Seite durchlese.

Sibylle Wulff: Die Seite mit dem Albtraum über einen völlig katastrophalen Moment beim Ausstellungsaufbau. Hier geht alles schief, was nur schief gehen kann – und noch ein bisschen mehr…

Was alles schief gehen kann…
Aus was ist Kunst gemacht? Die Materialliste ist lang und vielfältig.

Vielen Dank für diesen Einblick! Wir wünschen dem Buch viele interessierte Leser:innen!

(Interview: Patricia Brozio für die VDR-Online-Redaktion)

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