Eine spannende Restaurierungsgeschichte im Bauhaus Dessau Triolin – der fast vergessene Fußbodenbelag

Wer das Bauhaus in Dessau besucht und vielleicht an einem geführten Rundgang teilnimmt, sollte zwischendurch auch immer mal wieder nach unten schauen. Gut möglich, dass man gerade auf einem sehr speziellen Fußbodenbelag steht. Die Rede ist von Triolin, das ebenso wie das Bauhaus selbst vor 100 Jahren entstanden ist. 

Entdeckung nach Wasserschaden

Der Bodenbelag hatte allerdings im Vergleich zum Ort seiner Verlegung nur einen recht kurzen Auftritt in der Geschichte und war über viele Jahre sogar komplett in Vergessenheit geraten. Erst 2003, als während der Sanierungsarbeiten ein Sekretariatszimmer der Bauhausbrücke durch einen Wasserschaden geflutet und anschließend der Bodenbelag aufgenommen wurde, entdeckte man unter dem PVC einen älteren Belag.

Triolin-Beschriftungsschild (Foto: Dietmar Linke)

Zunächst konnte Monika Markgraf, zuständig für Bauforschung und Denkmalpflege am Bauhaus, mit der Bezeichnung „Triolin“ auf dem rückseitig angebrachten Schild wenig anfangen. Nach intensiver Recherche wurde jedoch deutlich, dass es sich um ein historisch interessantes und bewahrenswertes Material handelt. Nun musste ein Restaurator mit entsprechender Erfahrung gefunden werden. Durch eine Empfehlung stieß man auf Dietmar Linke, der damals im Filmmuseum in Potsdam arbeitete und sich mit Cellulosenitrat, auf dessen Basis das Triolin hergestellt wurde, bereits auskannte. „Weil man das Triolin mit bloßem Auge nicht von Linoleum unterscheiden kann, haben wir Proben aus dem Bauhaus und den Meisterhäusern in Dessau, aber auch aus anderen Institutionen und zum Beispiel der Weißenhof-Siedlung in Stuttgart mikrochemisch untersucht“, erzählt Dietmar Linke. „Wie sich herausstellte, war Triolin nur noch in Dessau nachweisbar. Als ich dann gefragt wurde, ob ich die Restaurierung der geborgenen Triolin-Bahnen übernehmen würde, habe ich mich auf dieses Abenteuer eingelassen.“

Reinigung der Oberfläche – im Vordergrund die Klebstoffreste vom entfernten, darüber gelegenen debolon-Belag; hinterer Abschnitt gereinigt (Foto: Dietmar Linke)

Produktion in ehemaliger Sprengstofffabrik

Seine Entwicklung verdankt das Triolin letztlich dem Umstand, dass nach dem Ersten Weltkrieg und den Bestimmungen des Versailler Vertrages die Produktion von Nitrocellulose zur Herstellung von Schießpulver verboten und die Produktionsanlagen der Rüstungsindustrie stillgelegt oder abgerissen wurden. Auch die Sprengstofffabrik Düneberg bei Hamburg war davon betroffen. Dort gelang es jedoch in Verhandlung mit den Siegermächten einen Teil der Anlagen umzurüsten und mit der alten Belegschaft schon 1919 mit der Produktion von Triolin zu beginnen. Man warb damit, deutlich preiswerter zu sein als Linoleum, was wiederum die Vereinigung deutscher Linoleumfabriken auf den Plan rief, die das Triolin als billigen Ersatzstoff bewerteten. Das Ende der Triolin-Produktion kam dann auch schon 1926, nachdem die Technische Hochschule Stuttgart herausgefunden hatte, dass das Material bereits bei Raumtemperatur Stickoxide absonderte und bei der Zersetzung durch Hitzeeinwirkung gesundheitsgefährdende Dämpfe entstanden. 

Gereinigte Oberfläche, dunkle Bohnerwachsreste verweisen auf Standflächen der Möbel (links) (Foto: Dietmar Linke)

Auch Dietmar Linke musste sich mit der möglichen Gesundheitsgefährdung des Materials auseinandersetzen. „Das war äußerst schwierig, denn das Material war unbekannt und es gab natürlich keine Grenzwerte und Behandlungshinweise.“ Im Herbst 2003 begannen die Restaurierungsarbeiten an den Triolin-Bahnen mit einer Gesamtfläche von etwas über 28 Quadratmetern. Es wurden Versuchsreihen durchgeführt, um geeignete Konservierungs- und Restaurierungsmaterialien zu ermitteln, Bohnerwachsspuren kartiert – die auf Standflächen von Möbeln verwiesen – und alte, verharzte Klebstoff- und Estrichreste mussten mühsam abgeschabt werden.

Neuverlegung im Direktorenzimmer

In das Sekretariat, wo der Boden ursprünglich gelegen hatte, konnte er nach der Restaurierung jedoch nicht zurückkehren. Das Zimmer sollte wieder als ständiger Arbeitsraum genutzt werden und eine mögliche Stickoxidbelastung hätte zur gesundheitlichen Belastung für die Mitarbeiter führen können. Als Alternative bot sich das Direktorenzimmer, auch Gropius-Zimmer genannt, an, dessen historische Raumgestaltung rekonstruiert werden sollte. Der Raum war ursprünglich mit Triolin ausgelegt, was aber später zur Hälfte durch Linoleum ersetzt worden war.

Passgenau geschnittenes Ergänzungsstück (rechts) für die Fehlstelle (links) im Belag (Foto: Dietmar Linke)

Eigentlich habe er die neue Verlegung des Triolinbodens gar nicht machen wollen, erinnert sich Dieter Linke. „Ich hatte ja keine Ahnung wie man Fußböden verlegt.“ Dann aber habe er sich eingearbeitet, sich an alter Literatur orientiert und auch auf historisches Handwerksgerät wie eine 25 Kilogramm schwere Linoleumwalze zurückgegriffen. „Damit bin ich dann nach Dessau gefahren und wurde dort von den jüngeren Handwerkern zuerst belächelt. Als wir dann aber unseren Boden auf Anhieb komplett blasenfrei verlegt hatten, machte man sich nicht mehr über die Walze lustig.“ Fehlstellen und Löcher im Boden hatte Dietmar Linke mit Restmaterialien, die als Intarsien eingepasst wurden, geschlossen und außerdem einen Triolin-Kitt aus Verschnittresten selbst hergestellt. Als Schutz für die Oberfläche entschied man sich schließlich für eine Beschichtung aus verdichtetem Hartwachs, die zehn Jahre später (2014) noch einmal erneuert wurde, nachdem der rege Besucherverkehr seine Spuren hinterlassen hatte.

Endzustand des restaurierten Belages (obere Bildhälfte) in Verbindung mit dem Bestandsbelag (rechts unten) im Direktorenzimmer (Foto: Dietmar Linke)

Triolin im Meisterhaus Klee / Kandinsky

Seine weitreichenden und schließlich langjährigen Erfahrungen mit Triolin konnte Dietmar Linke dann noch einmal 2015/16 und 2018/19 unter Beweis stellen, als die Meisterhäuser Muche / Schlemmer und Klee / Kandinsky restauriert wurden. „Dort war noch einiges an Triolin-Belägen erhalten. Aber die Böden waren auch stark strapaziert, weil die Häuser viele Jahre bewohnt waren und es zum Beispiel durch Glutreste von Kohleöfen zu Schmorstellen und Löchern gekommen war.“ Zur Herausforderung für den Restaurator wurde auch die konzeptionelle Ausrichtung und Vorgabe, dass Raumeindruck und Farbfassung des Bodens möglichst einheitlich umgesetzt und erfahrbar gemacht werden sollten. „Wenn die Ästhetik im Vordergrund steht, können Nutzungs- und Gebrauchsspuren als störend empfunden werden.“

Glutspuren, verursacht durch einen Kohle-Badeofen – vermutlich spätere Umnutzung eines Raumes im Haus Kandinsky (Foto: Dietmar Linke)

Vor der feierlichen Eröffnung des Meisterhauses Kandinsky / Klee im Frühjahr 2019 gab es nochmal eine „heiße Phase, als alle Baugewerke irgendwie unter- und übereinander arbeiten und fertig werden mussten“, erzählt Triolin-Experte Dietmar Linke. Seitdem können die Bodenbeläge auf der Basis von Cellulosenitrat von den Besuchern wieder angeschaut und begangen werden. In seiner Pflegeanleitung für den frisch restaurierten Boden hatte der Restaurator empfohlen, Überzieher für die Schuhe an die Besucher auszugeben und die Verschleißschicht der Beläge zweimal jährlich mit Hartwachs zu behandeln. „Ob diese Intervalle konsequent eingehalten werden, kann ich jedoch nicht sagen.“

Der ausführliche Aufsatz über „100 Jahre Triolin“ von Dietmar Linke ist in Heft 2/2020 der „Beiträge zur Erhaltung von Kunst- und Kulturgut“, S. 96 ff nachzulesen. Für VDR-Mitglieder kostenlos im Downloadbereich des internen Mitgliederbereiches zu finden oder auch für jedermann im VDR-Shop erhältlich.

Zur Person:
Dietmar Linke ist Dipl.-Restaurator mit Magisterabschluss und ist in seinem Berliner Restaurierungsatelier selbstständig tätig. Seine langjährigen Erfahrungen und Spezialisierungen liegen in den Bereichen moderne und zeitgenössische Kunst, technisches Kulturgut, Metall und Kunststoff. 

Text: Gudrun von Schoenebeck, VDR Online-Redaktion

Hinterlassen Sie einen Kommentar