Was bewegt junge Restaurator:innen dazu sich selbstständig zu machen? Welche Hoffnungen, Wünsche und Ängste haben sie? Wie viel Mut gehört zur Selbstständigkeit? Über diese Themen sprechen wir mit jungen Freiberufler:innen in der Serie „stark_gegründet“. In der fünften Folge beantwortet Jana Moczarski unsere Fragen. Gemeinsam mit Nicole Klinger und Oliver Messerschmidt führt sie die „Paperminz Bestandserhaltung GmbH“.
Gründerinnen: Jana Moczarski, Nicole Klinger und Oliver Messerschmidt
Gründungsjahr: 2022
Unternehmenssitz: Leipzig
Rechtsform: GmbH
Fachrichtung und besondere Kenntnisse: Grafik, Archiv- und Bibliotheksgut, IPM, Notfallplanung; Fort- und Weiterbildung
Studium: Nicole Klinger ist diplomierte Papierrestauratorin, Oliver Messerschmidt ist Diplom-Kaufmann (FH), Jana Moczarski ist staatlich geprüfte Restauratorin für Archiv- und Bibliotheksgut
Web-Präsenz: https://paperminz.de
Social Media: Instagram
Warum haben Sie sich zur Gründung entschlossen?
Jana Moczarski: Die Idee dazu ist länger gereift. Mit meinen Kolleg:innen Nicole Klinger und Oliver Messerschmidt habe ich viele Jahre in einem anderen Unternehmen zusammengearbeitet. Im Spätsommer 2021 kam dann überraschend das Angebot des Inhabers von „Buchrestaurierung Leipzig GmbH“, dass wir seine Firma kaufen könnten. Wir kannten Buchrestaurierung Leipzig schon seit vielen Jahren als Wettbewerber und dachten: Das ist unsere Chance. Wenn nicht jetzt, wann dann?
Die Bedingungen waren optimal: Wir mussten nicht bei Null anfangen und haben praktisch den laufenden Betrieb übernommen, mit der Werkstatt, dem Team und bestehenden Aufträgen. Zum 1. April 2022 übernahmen wir die Geschäftsführung und änderten den Namen von Buchrestaurierung Leipzig GmbH in Paperminz Bestandserhaltung GmbH. Inzwischen haben wir das Team auf mehr als 20 Mitarbeiter vergrößert. Darunter sind Papierrestaurator:innen, Buchbinder:innen und auch Assistent:innen, die einfache konservatorische Arbeiten übernehmen. Wir nehmen nun verstärkt an Ausschreibungen teil und haben das Angebot u.a. durch Gefriertrocknung, konservatorische Arbeiten sowie Fort- und Weiterbildung erweitert.
Welche, auch mentale, Hürden mussten Sie möglicherweise überwinden?
Jana Moczarski: Für mich war es vor allem schwer, mich aus einem sicheren Job in die Selbstständigkeit zu begeben. Meine beiden Mitstreiter:innen hatten ihr Stellen bereits gekündigt, als das Angebot des Unternehmenskaufs kam. Vor allem mussten wir uns aber trauen, Bankkredite für den Unternehmenskauf aufzunehmen und die Verantwortung für Personal einzugehen. Wir konnten außerdem bei der Firmenübernahme die vorhandenen Gegebenheiten nur so nehmen, wie sie sind. Das hatte Vor- und Nachteile. Vertragsrechtliche Notwendigkeiten für die Übernahme einer GmbH waren ebenfalls recht aufwendig, aber da hat uns ein guter Freund geholfen.
Positiv ist, dass wir uns sehr gut ergänzen. Meine Kollegin Nicole Klinger organisiert die Werkstatt, Oliver Messerschmidt ist für alles Kaufmännische, Personal und Marketing zuständig und ich kümmere mich um unser Fort- und Weiterbildungsangebot. Wir glauben, dass es besser ist, in fachkundiges Personal, z.B. für Steuerangelegenheiten zu investieren, als alles selbst machen zu wollen.
Wie machen Sie Werbung und Akquise für Ihr Unternehmen?
Jana Moczarski: Wir haben nur sehr wenige Privatkunden, sondern vor allem Kunden aus der öffentlichen Verwaltung. Deshalb kommt klassische Werbung nur geringfügig zum Einsatz. Zunächst haben wir über Flyer und ein Mailing auf uns aufmerksam gemacht und kommuniziert, dass die Firmierung sich geändert hat und wir jetzt auch das Angebot über die reine Buchrestaurierung hinaus erweitert haben.
Social Media ist heutzutage auch wichtig, aber unser wichtigstes Marketinginstrument sind unsere Fort- und Weiterbildungen. Die „Weiterbildungsreihe Bestandserhaltung“, die ich schon seit drei Jahren und jetzt auch in Kooperation mit dem VDR mache, ist eine großartige Sache. In diesem Rahmen bieten wir jeden Monat einen kostenlosen Vortrag zu unterschiedlichen Themen an. Durch den fachlichen Austausch vernetzen wir uns in der Szene und bleiben ganz nebenbei im Gespräch. Man wird ja zum Beispiel bei beschränkten Ausschreibungen nur dann zur Angebotsabgabe aufgefordert, wenn die Auftraggeber:innen wissen, dass es einen gibt. Neben der unentgeltlichen „Weiterbildungsreihe Bestandserhaltung“ bieten wir auch umfangreiche kommerzielle Fort- und Weiterbildungen an. Besonders die Themen Schimmel in Kultureinrichtungen, Grundlagen des Integrierten Schädlingsmanagements (IPM) und Notfallplanung und -prävention sind für gewöhnlich immer in unserem Fort- und Weiterbildungsprogramm buchbar.
Wie kann der VDR als Berufsverband junge Gründer:innen unterstützen?
Jana Moczarski: Die Kursangebote seitens des VDR zu grundlegenden Themen wie Vergaberecht und Gründung waren für mich sehr hilfreich. Auch finde ich es gut und sehr wichtig, dass sich der VDR in Sachen Entlohnung, Altersvorsorge und Berufsschutz einsetzt.
Ein heikles Thema im Berufsfeld der Papierrestaurierung sind auskömmliche Stundensätze für unsere Arbeit. Wir Restaurator:innen sollten aufpassen, dass wir für unsere Arbeit keine Dumping-Preise nehmen. Wir würden es begrüßen, wenn der VDR Kurse anbietet, welche die Notwendigkeit und das selbstbewusste Vertreten auskömmlicher Preise behandeln. Denn neben der Kostendeckung des täglichen Lebens dürfen wir als frischgebackene Selbstständige ja nicht vergessen, dass wir mit unseren Preisen auch Altersvorsorge, Vermögensaufbau und Inflationstendenzen abdecken müssen.
Wie würden Sie Ihren Kolleg:innen Mut zur Gründung machen?
Jana Moczarski: Es klingt abgedroschen, aber wer nicht wagt, der nicht gewinnt. Wir als Restaurator:innen können mit unserer guten Ausbildung selbstbewusst auf den Markt gehen, denn wir sind die Spezialist:innen. Wichtig finde ich, dass man gut vernetzt ist, sich fortwährend weiterbildet und sich auf seine Kernkompetenzen konzentriert. Dann darf – oder sollte – man ruhig etwas wagen.