Junge Restaurator:innen machen sich selbstständig stark_gegründet no.6

Was bewegt junge Restaurator:innen dazu sich selbstständig zu machen? Welche Hoffnungen, Wünsche und Ängste haben sie? Wie viel Mut gehört zur Selbstständigkeit? Über diese Themen sprechen wir mit jungen Freiberufler:innen in der Serie „stark_gegründet“. In der sechsten Folge beantworten Valerie Müller und Georg Ihlenfeld aus Hamburg unsere Fragen.

GründerInnen: Georg Ihlenfeld und Valerie Müller
Gründungsjahr: 2019
Unternehmenssitz: Hamburg
Rechtsform: GbR
Fachrichtung und besondere Kenntnisse: Gemälde, polychrome Bildwerke
Studium: Diplom an der Hochschule für Bildende Künste Dresden
Web-Präsenz: https://www.restaurierungsatelier-hamburg.de

Warum haben Sie sich zur Gründung entschlossen?

Georg Ihlenfeld: Ich habe mein Vorpraktikum in einem gut laufenden Restaurierungsatelier in Hamburg absolviert. Das war klasse und ich konnte mir nie vorstellen, etwas anderes zu machen. Nach meinem Diplom 2016 stand schon fest, dass ich diese Restaurierungswerkstatt übernehmen könnte. Dann habe ich noch zwei Jahre lang als Angestellter dort gearbeitet und war sehr dankbar für diese Übergangsphase. In unserem Beruf basiert sehr viel auf Vertrauen, so dass man als junger Restaurator auch ein bisschen auf dem Prüfstand steht und sich beweisen muss.  

Valerie Müller: Ehrlich gesagt, war es nie mein Traum selbstständig zu sein. Alle meine Praktika und auch ein 2-jähriges Volontariat nach dem Studium habe ich in Museen gemacht. Ich war sehr skeptisch gegenüber einer Selbstständigkeit. Georg und ich hatten uns schon im Studium kennengelernt und unser Ziel war, dass wir später gemeinsam in einer Stadt als Restauratoren arbeiten können. Nach dem Studium haben wir uns dann zwei Jahre Zeit gegeben. Danach wollten wir gemeinsam entscheiden, was das Beste für uns ist. Wir wussten, dass wir als Team funktionieren und als dann die Möglichkeit kam, dass wir das Atelier übernehmen können, haben wir uns beide getraut. 

Welche, auch mentale, Hürden mussten Sie möglicherweise überwinden?

Valerie Müller: Alleine hätte ich es nicht gewagt, aus Angst, dass es nicht gut anläuft. Der Druck war ja von Anfang an hoch, das fand ich beängstigend. Wir brauchten Startkapital, hatten direkt viel Verantwortung und mussten die Fixkosten im Auge behalten. Mittlerweile bin ich viel entspannter geworden und schätze vor allem die Flexibilität. 
Vor sechs Wochen kam unsere Tochter Olivia zur Welt. Früher dachte ich, dass Kinder kriegen und selbstständig sein zusammen gar nicht möglich ist und ich mir eine Stelle suchen müsste. Nach diesen ersten drei Jahren vertrauen wir uns und unserem Unternehmen jedoch genug, um auch das zu schaffen. 

Georg Ihlenfeld: Wir haben uns viele Gedanken über dieses Thema gemacht, zumal es auch gesundheitliche Gefahren für schwangere Restauratorinnen geben kann. Ich habe deshalb mehr als sonst in der Werkstatt gearbeitet und auch jetzt übernimmt Valerie eher Arbeiten, die man im Homeoffice erledigen kann. Dass wir unsere Tochter schon recht früh in die Betreuung geben müssen, steht ebenfalls fest.  
Man sollte sich frühzeitig informieren und beraten lassen. Man muss Rücklagen bilden, denn das Elterngeld reicht einfach nicht. Es ist ein Unding, dass viele Frauen in der Selbstständigkeit auf ihre Partner angewiesen sind, wenn sie schwanger werden. 

Wie machen Sie Werbung und Akquise für Ihr Unternehmen?

Georg Ihlenfeld: Wir haben einen sehr gemischten Kundenstamm, von Privatleuten über Galerien und Museen bis zu Landesdenkmalämtern und anderen öffentlichen Trägern. Wichtig war uns eine professionelle Web-Präsenz, damit wir gut auffindbar und erreichbar sind. Deshalb haben wir uns auch dafür entschieden Öffnungszeiten anzugeben. Unser Atelier ist von Montag bis Freitag von 9 bis 17 Uhr geöffnet und man kann einfach vorbeikommen. Das senkt die Hemmschwelle für Leute, die noch nie mit Restaurierung zu tun hatten. Immer mal wieder steht tatsächlich jemand mit einem Bild unterm Arm im Atelier und möchte eine Einschätzung haben. Eine erste Beratung von uns ist kostenlos und oft genug wird daraus ein Auftrag. Die festen Öffnungszeiten dienen uns aber auch zur Selbstkontrolle, denn wir trennen strikt Arbeit und Freizeit. Abends und am Wochenende wird nicht gearbeitet – man muss es ein bisschen üben, aber wir finden das sehr empfehlenswert, auch als Paar. 

Wie kann der VDR als Berufsverband junge Gründer:innen unterstützen?

Valerie Müller: Das Seminar des VDR zum Thema Honorarverhandlungen fanden wir sehr hilfreich für Einsteiger:innen. Dort und auch bei unserem VDR-Stammtisch in Hamburg kann man sich wunderbar austauschen und von den anderen lernen, auch von deren Fehlern. Im Studium gab es zwar ebenfalls betriebswirtschaftliche Seminare, aber die waren viel zu abstrakt. 

Wichtig ist auch die Restauratorensuche auf der VDR-Website. Wir bekommen häufiger fachfremde Anfragen und dann können wir zum Beispiel nach Möbelrestauratoren suchen und die Kolleg:innen vermitteln. 

Wie würden Sie Ihren Kolleg:innen Mut zur Gründung machen?

Georg Ihlenfeld: Es ist eine wunderbar vielseitige Arbeit mit großem Gestaltungsspielraum. Wir finden es wichtig, dass man ehrlich mit seinen Ängsten umgeht, daran arbeitet und realistisch bleibt. Man sollte sich Zeit einräumen und davon ausgehen, dass man auf jeden Fall Fehler machen wird – aus denen man ja dann lernen kann. Ein dickes Fell braucht man schon auch, aber das kommt mit der Zeit. Falls man einen Mitstreiter findet, umso besser. Selbstständig zu sein schaffen viel mehr Leute, als sie von sich denken. 


Valerie Müller und Georg Ihlenfeld in ihrem Restaurierungsatelier in Hamburg

Das Hamburger Restaurierungsatelier Ihlenfeld & Müller beteiligt sich am Europäischen Tag der Restaurierung am 16. Oktober 2022.

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