Ein wichtiges Werk amerikanischer Farbfeldmalerei kann seine volle Wirkung wieder entfalten Restaurierung von Brice Mardens „Humiliatio“

Humiliatio (Unterwerfung), ein Hauptwerk des US-amerikanischen Malers Brice Marden (*1938), ist in New York in enger Zusammenarbeit mit dem Künstler restauriert worden. Nun wird es erstmals seit über 20 Jahren wieder in den Sammlungsräumen des Museum Ludwig präsentiert. 

Das Werk gehört zur Serie Annunciations von fünf gleichformatigen Bildern mit den lateinischen Titeln: Conturbatio (Aufregung), Cogitatio (Nachdenken), Interrogatio (Nachfragen), Humiliatio (Unterwerfung), Meritatio (Verdienst der Maria). Sie beziehen sich auf die seelischen Zustände der Jungfrau Maria während der Verkündigung, von denen in einem Traktat aus dem 15. Jahrhundert von Fra Roberto Caracciolo di Lecce berichtet wird. 

Brice Marden, Humiliatio (Foto: schoenebeck)

Das 1978 entstandene Gemälde Humiliatio von Brice Marden ist ein Highlight der Sammlung amerikanischer Farbfeldmalerei im Museum Ludwig. Es verkörpert eindrücklich durch die Abwesenheit jeglichen Gegenstandsbezuges eine rein aus der Farbe heraus wirksame Malerei, die in ihrer Intensität eine tiefe emotionale Ergriffenheit im Betrachter zu wecken vermag. 

„Brice Mardens Gemälde „Unterwerfung“ zählt zu den wichtigen Bildern amerikanischer abstrakter Malerei in europäischem Museumsbesitz“, so Yilmaz Dziewior, Direktor des Museum Ludwig. „Ich bin daher sehr glücklich, dass wir es mit der großzügigen Unterstützung der International Society Museum Ludwig, des Ministeriums für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen und den Mitteln des PS-Zweckertrags der Sparkasse KölnBonn geschafft haben, dieses Werk nach langer Zeit so restaurieren zu lassen, dass es wieder seine ursprüngliche Kraft entfalten kann.“ 

Stoßcraquelé, Brice Marden, Humiliatio (Foto: Astrid Schubert, Museum Ludwig)

Die Intensität der Farbflächen des Gemäldes wird durch die Beimischung von Wachs in die Ölfarbe gesteigert. Durch das ungewöhnliche Malmaterial ist die Oberfläche des Werkes äußerst empfindlich. Alterserscheinungen, Fingerabdrücke und Wisch-Spuren hatten die Malschicht so stark beschädigt, dass das Werk seit über 20 Jahren nicht mehr ausgestellt werden konnte. „Das Werk war in einem konservatorisch bedenklichen und ästhetisch unbefriedigendem Zustand“, sagt Astrid Schubert, Gemälderestauratorin am Museum Ludwig. „Die Enkaustik-Arbeiten mit ihrer Mischung aus Ölfarbe und Bienenwachs, die mit dem Spachtel geglättet wurden, reagieren besonders empfindlich auf Berührungen der Oberfläche.“ Die Schadensbilder hatte die Restauratorin im Mai 2018 in einer Kartierung sorgfältig festgehalten. Dazu gehörten optisch störende Stoßcraquelés, also mechanische Einwirkungen, sowie Farbschichtabhebungen mit der akuten Gefahr von Substanzverlust. Außerdem waren Fettsäureausblühungen, Glanzstellen, Kratzer, Wischspuren und Malschichtsprünge zu beobachten.

Farbschichtabhebungen, Brice Marden, Humiliatio (Foto: Astrid Schubert, Museum Ludwig)

Es war ein großer Glücksfall, dass der hochbetagte Künstler selbst diese aufwändige und anspruchsvolle Restaurierung sehr unterstützt hat. In enger Zusammenarbeit von Astrid Schubert mit der New Yorker Restauratorin Dana Cranmer und Team (Cranmer Art Group), die seit rund 30 Jahren Mardens Werke konservatorisch begutachtet und restauriert, konnte ein umfangreiches Restaurierungskonzept entwickelt werden. „Wir haben sehr sorgfältig erwogen, ob wir das Gemälde außer Haus geben“, sagt Astrid Schubert. „Schließlich war die langjährige Erfahrung des New Yorker Restauratorinnenteams und die Favorisierung durch Brice Marden selbst ein wesentlicher Faktor.“ Das Gemälde, das aus vier Paneelen besteht, wurde mit Schutzrahmen versehen und in einer speziellen Klimakiste, in der das Klima 24 Stunden lang stabil bleibt, transportiert. 

Vorbereitungen für den Transport von Brice Mardens Humiliatio nach New York (Foto: Jürgen Schulzki)

In der New Yorker Restaurierungswerkstatt wurden dann noch Bindemittel- und Pigmentanalysen sowie Anschliffe von Malschichtproben vorgenommen. „Dies brauchten wir zur Bestätigung der Schadensbilder, als Hilfestellung für die restauratorische Vorgehensweise und auch als Beitrag für die internationale kunsttechnologische Forschung über Brice Marden“, sagt Astrid Schubert. Ziel der durchgeführten konservatorischen und restauratorischen Maßnahmen war es, die originale Substanz zu sichern, sowie die Erfahrbarkeit der monochromen Bildwirkung für die Betrachter zu verbessern. Das Werk sollte in einem guten Zustand wieder in der Sammlung präsentiert werden können, unter Wahrung seiner materiellen Authentizität auch im Hinblick auf natürliche Alterungsprozesse. Zu den Maßnahmen zählten vor allem das Festigen und Niederlegen von Malschichtsprüngen, eine Oberflächenreinigung und das Schließen von kleinen Fehlstellen. 

Brice Marden vor seinem Werk im Studio von Dana Cranmer (Foto: International Society, Museum Ludwig)

Ganz wichtig für alle Beteiligten sei es gewesen, dass Brice Marden selbst sein Werk nach der Restaurierung noch einmal gesehen und „abgenommen“ habe, erzählt Astrid Schubert. Die glatte, unversehrte Oberfläche, die der Künstler als eines der zentralen Elemente des Bildes sieht, war wieder hergestellt worden. Insgesamt, das verriet Direktor Dziewior während einer Pressekonferenz, lagen die Kosten für die Restaurierung bei 180.000 US-Dollar. In dieser Summe waren neben den Honoraren für die eigentlichen Restaurierungsarbeiten u.a. auch sämtliche Reise- und Transportkosten, die Herstellung der Klimakisten und die Kosten für restaurierungswissenschaftlichen Analysen enthalten.

Die Gemälderestauratorinnen Astrid Schubert (links) und Simone Heuken bei der Installation des Rückseiten- und Schwingschutzes (Foto: Nathan Ishar)

Nach seiner Rückkehr ins Museum Ludwig haben Astrid Schubert und ihre Kollegin Simone Heuken das Werk als präventive Maßnahme mit einem Rückseiten- und Schwingschutz aus Polyäthylen-Polstern versehen. So ist das Werk Ende Juni wieder in die Sammlungsräume des Museums zurückgekehrt und hängt jetzt – akustisch gesichert – zwischen Arbeiten von Mark Rothko und Barnett Newman. 

Installation des Werkes in der Sammlung des Museum Ludwig (Foto: Nathan Ishar)

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