Der Neubau des Kölner Stadtarchivs wurde eröffnet Im Schatzhaus der Erinnerung

Rund zwölf Jahre nach dem Einsturz des Kölner Stadtarchivs in der Südstadt wurde am 3. September 2021 der Neubau für das Historische Archiv und das Rheinische Bildarchiv der Stadt Köln am Eifelwall feierlich eröffnet. Der Neubau liegt rund drei Kilometer von der Einsturzstelle entfernt und gilt als Europas modernstes kommunales Archiv.

Beim Einsturz des Historischen Archivs der Stadt Köln am 3. März 2009 befanden sich rund 27 laufende Kilometer Akten, circa 62.000 Urkunden, etwa 329.000 Karten, Pläne und Plakate, circa 500.000 Fotos und rund 2.500 Tonträger und Videos im Archiv. In der mit Unterbrechungen zweieinhalb Jahren dauernden Bergungsphase wurden 95 Prozent davon geborgen.

Das mittelalterliche Schreinsbuch aus dem Bezirk Niederich

Der architektonische Entwurf des Neubaus – mit Baukosten von rund 90 Millionen Euro – stammt aus dem Büro Waechter + Waechter Architekten Darmstadt, das den Wettbewerb 2011 gewonnen hatte. Die Architekten planten eine dreigeschossige Mantelbebauung, die die Archivalien aus dem Magazin beschützend umgibt. Dieser fensterlose Block des Magazins, auch „Schatzhaus“ genannt, überragt die Mantelbebauung um drei Geschosse. Zwischen dem Magazin und dem umlaufenden Schutzmantel sind zwei Innenhöfe eingeschnitten.

Blick vom Foyer über den Innenhof zum Magazin, dem „Schatzhaus“

Sämtliche Archivflächen sind im Magazinbau untergebracht. Die Magazinräume erstrecken sich über alle Geschosse vom Untergeschoss bis in das fünfte Obergeschoss und werden mit Anbindung an den zentralen Lastenaufzug erschlossen. Durch diese Anordnung kann das natürliche Kältepotenzial des Erdreichs zur passiven Kühlung im Sommer optimal genutzt werden. Das Archivgut nimmt allein 8.800 von rund 14.500 Quadratmetern Nutzfläche ein. 

Im Magazin selbst gibt es – um Störungsquellen zu verbannen – so wenig Technik wie möglich. So werden die Rollregale von Hand gekurbelt und nicht elektrisch bewegt, beim Verlassen der Räume schalten sich automatisch die Stromleitungen komplett ab und es gibt keine Sprinkleranlage. Unmittelbar an das Magazin grenzen Labore und Werkstätten des Historischen Archivs sowie des Rheinischen Bildarchivs an.

Archivleiterin Dr. Bettina Schmidt-Czaia zeigt die Rollregale im Magazin

Das neue Archivgebäude wurde maximal energieeffizient geplant und mit einem so noch nie realisierten Klimakonzept entwickelt. Dazu gehören ein eigener Eisspeicher, der im Erdreich verbaut wurde, eine Wärmepumpenanlage und eine Photovoltaikanlage auf dem Dach. Durch den Eisspeicher mit einer Hüllflächentemperierung für den Magazinbaukörper sowie Geothermie und Photovoltaik kann je nach Bedarf Energie abgegeben oder aufgenommen werden kann. Der Bau ist auf neun verschiedene Klimazonen aufgeteilt, um für die verschiedenen Archivalien und die 5,5 Millionen Fotografien des Rheinischen Bildarchivs die jeweils optimalen und konstanten konservatorischen Bedingungen zu garantieren.

Im Foyer links ist der Ausstellungsbereich, die Treppe führt zum Lesesaal. Die Oberflächen wurden aus Sichtbeton und weiß geölter Douglasie gestaltet.

Prägendes Gestaltungselement des Bauwerks ist das Fassadenmaterial aus Baubronze mit seinen „Brises Soleils“. Sie bestehen aus feststehenden Metall-Lamellen, die Sonnenschutz und zugleich eine optimale Tageslicht-Ausnutzung garantieren.

Der Lesesaal mit Handbibliothek bietet 45 Plätze für Besucher:innen, die mit Archivalien arbeiten

Durch ein helles Foyer mit Blick in den ersten Innenhof gelangen die Archivbesucher:innen zu den öffentlichen Bereichen mit Vortragsraum, Ausstellungsfläche und über die Treppe hoch in den Lesesaal mit 45 Plätzen für die Arbeit mit Archivgut.  

Restaurierungsassistentin Jennifer Sieben reinigt systematisch die angeforderten Archivalien, u.a. mit Pinsel, Latexschwamm, Spatel, Skalpell und Druckluft.

Im ersten Obergeschoss befinden sich die Werkstätten und Fotolabore des Rheinischen Bildarchivs, dessen zweigeschossiges Fotostudio Raum für die Dokumentation großer Objekte bietet. Im Geschoss darüber sind die Restaurierungswerkstätten des Historischen Archivs untergebracht, die auf einer Ebene mit den Büros der Restauratoren organisiert werden. Der zweigeschossige Anlieferungsbereich grenzt direkt an den Werkstattbereich an, sodass Archivgut und Arbeitsmaterial nach eventueller Zwischenlagerung und entsprechender Bearbeitung in die Werkstätten und Magazinräume transportiert werden kann.  

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„In den Werkstätten werden wir in den nächsten Jahrzehnten das Archivgut wiederherstellen“, sagt Archivleiterin Dr. Bettina Schmidt-Czaia. Derzeit seien knapp 18 Prozent der Bestände wieder nutzbar. „Wir arbeiten on demand, das heißt wir restaurieren das, was gebraucht wird. Kommt eine Nutzer-Anfrage, wird das gewünschte Archivgut durch den Arbeitsprozess geschleust. Das dauert etwa ein halbes Jahr.“ Waren im alten Stadtarchiv 38 Beschäftigte tätig, gibt es jetzt 150 Angestellte, davon 29 Restaurator:innen und 38 Restaurierungsassistent:innen.

Aus dem frühen 19. Jahrhundert stammt diese Akte über den Abbruch des Pfaffentores

„Von den insgesamt 50 Regal-Kilometern, die uns zur Verfügung stehen, haben wir derzeit knapp 33 belegt. Es ist also noch Platz“, freut sich Bettina Schmidt-Czaia. Nun steht aber erst einmal der Umzug an, denn bisher waren die Mitarbeiter:innen auf 20 verschiedene Standorte verteilt. Ende November soll der Umzug abgeschlossen sein.

Fassade mit Eingang und den Lamellen aus Baubronze. Die Außenabmessungen des Archivbaus betragen 122 x 46 Meter.


Die erste Ausstellung im neuen Stadtarchiv ist auch bereits geplant und soll am 19.10.2021 eröffnet werden. Sie heißt „Vergiss es! Nicht“ und handelt von menschlichem und kulturellen Erinnern und Gedenken.

Auf der Webseite des Historischen Archivs gibt es Informationen über den Wiederaufbau der Bestände, insbesondere über die Restaurierung.

Weitere allgemeine und aktuelle Informationen zum Historischen Archiv der Stadt Köln.

Text und Fotos: Gudrun von Schoenebeck, VDR-Online-Redaktion

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