Mit ihrem Aufsatz in den „Beiträgen zur Erhaltung von Kunst- und Kulturgut“ über die Zusammenarbeit mit indigenen Gemeinschaften in der Konservierung und Restaurierung bringen die beiden Autorinnen Diana Gabler und Helene Tello einen wichtigen Aspekt in eine hochaktuelle gesellschaftliche Debatte ein. Die Frage, welches der richtige Umgang mit Kulturgut aus kolonialen Kontexten ist, treibt vor allem, aber nicht nur die museale Community um.
Anhand des Fallbeispiels des Ethnologischen Museums der Staatlichen Museen zu Berlin zeigen die Autorinnen auf, wie die Einbeziehung indigenen Wissens dazu beitragen kann, den eigenen Blick für die Belange musealer Sammlungen zu erweitern. Hier geht es auch um die Rolle und Aufgabe, die Restauratoren in diesem Zusammenhang in einem interdisziplinär arbeitenden Team einnehmen.
Bedeutung von immateriellen Werten
Dass Museen mit Nachfahren von Herkunftsgesellschaften zusammenarbeiten und sich daraus ein Dialog um das kulturelle Erbe ergibt, ist eine relativ junge Entwicklung in der Museumskultur in Deutschland. Zugrunde liegt eine postkoloniale Kritik an den außereuropäischen Sammlungen und der gesellschaftlich-politische Druck den bisherigen Umgang mit diesen Sammlungen kritisch zu reflektieren. Die Anerkennung, dass die Kolonialzeit kein abgeschlossenes Kapitel der Vergangenheit ist, sondern bis in die Gegenwart reicht, ist Grundlage dafür. Viel diskutierte Schlüsselworte sind hier Restitutionsforderungen und ethnologische Provenienzforschung.
Dazu gehören auch der Wunsch und die Anregung mit Nachfahren der Herkunftsgesellschaften zusammenzuarbeiten. Dies kann völlig neue Aspekte für die Konservierung und Restaurierung betroffener Objekte mit sich bringen, wenn es zum Beispiel unterschiedliche Ansichten darüber gibt, wie Objekte verwendet und aufbewahrt werden. „Dadurch ist es im 21. Jahrhundert schwieriger geworden universelle Prinzipien für die Konservierung festzulegen“, halten die Autorinnen fest. „Durch neu gefundene Kontexte, entstanden aus einer engen partnerschaftlichen Zusammenarbeit, wirken sich immaterielle Werte, die einem Objekt zugestanden werden, entscheidend auf die zu erarbeitenden Konservierungskonzepte aus.“
Objektbasierte Forschung im Vordergrund
In diesem neuen Feld sind Museumsmitarbeiter und darunter die Restauratoren weitestgehend auf sich gestellt, wenn es um die Ausarbeitung von Richtlinien für die Zusammenarbeit mit den Nachfahren der Herkunftsgesellschaften geht. Gabler und Tello konstatieren, dass objektbasierte Forschung in der Restaurierungswissenschaft und -praxis im Vordergrund stehe und die Auseinandersetzung mit der sozialen Bedeutung der Objekte oft nachrangig behandelt werde. „Ein klarer Ansatz sowie konkrete Handlungsanleitungen für die Zusammenarbeit mit indigenen Gemeinschaften ist den VDR oder E.C.C.O. Berufsleitlinien nicht zu entnehmen.“
Kulturelle Filter kritisch überdenken
Gabler und Tello plädieren dafür, dass Restauratoren ihre eigenen kulturellen Filter, die sie für Restaurierungs- und Konservierungsmaßnahmen einsetzen, kritisch überdenken. „Wenn in Europa die Entstehung der Sammlungen von außereuropäischem Kulturgut als ein direktes Resultat kolonialer Erfahrungen begriffen wird, muss auch hinterfragt werden, wie die Konservierung und Restaurierung durch diese Erfahrung geprägt ist.“ So sei das Verständnis darüber, wie gesammelt oder bewahrt wird, westlich geprägt, aber letztlich sei der wissenschaftliche Forschungsansatz nur ein Weg den Kulturen der „Anderen“ zu begegnen und nicht per se objektiv.
Wenn indigenes – etwa mündlich überliefertes – Wissen in die Konzepte für den Erhalt der anvertrauten Gegenstände einfließt, wird es zum immateriellen Bestandteil des Kulturgutes. Eine solche Zusammenarbeit mit Indigenen, wissen Gabler und Tello, werde oft als praxisfern empfunden oder rundheraus abgelehnt. Letzteres insbesondere dann, wenn die Wünsche der Nachfahren nach einer bestimmten Behandlung eines Objektes mit der gewohnten Arbeitsweise des Restaurators kollidiert. Den nicht greifbaren Eigenschaften eines Objektes genauso viel Wichtigkeit bei der Erstellung eines Konservierungskonzeptes beizumessen wie dem Material selbst, halten die Autorinnen aber unbedingt für lohnenswert.
Projekte im Ethnologischen Museum Berlin
Im Folgenden skizzieren sie die Geschichte der Sammlungen des Ethnologischen Museums in Berlin von seinen Anfängen aus dem 17. Jahrhundert. Mittlerweile wird der Bestand des Museums auf ca. 510.000 Objekte geschätzt; der Kontakt mit Vertretern unterschiedlicher Herkunftsgesellschaften außereuropäischer Kulturen begann vor etwa 20 Jahren. In mehreren Projekten seit 2014 wurden solche Kooperationen deutlich intensiviert, wodurch die bisherigen Informationen etwa über Material und Gebrauch von bestimmten Objekten ergänzt und teilweise sogar revidiert wurden. „Für zukünftige Konservierungs- und Restaurierungsmaßnahmen sind diese Informationen von grundlegender Bedeutung, da bei anstehenden Konservierungsmaßnahmen gemeinsam mit Vertretern der Herkunftsgesellschaft entschieden werden kann, ob [beispielsweise] Primärmaterialien bei der Restaurierung eingesetzt werden.“
Veränderte Arbeitsweise in der Restaurierungspraxis
In ihrer Schlussbetrachtung betonen die Autorinnen, dass mit der Einbeziehung indigenen Wissens eine veränderte Arbeitsweise in der Konservierungs- und Restaurierungspraxis notwendig wird zugunsten der Interessen und Bedürfnisse der Herkunftsgesellschaften. Hier gehe es um den Aufbau von langfristigen Beziehungen auf Augenhöhe. Für die Berufsgruppe der Restauratoren sei es wichtig, ihre Rolle in einem kollaborativen Arbeitsprozess und im Museumsteam zu definieren, um eine bestmögliche Bewahrung sowie Erhaltung des kulturellen Erbes sicherzustellen.
Der vollständige Artikel „Das Wissen der Anderen. Über die Zusammenarbeit mit Indigenen in der Konservierung und Restaurierung“ ist in Heft 2/2019 (S. 104-115) der „Beiträge zur Erhaltung von Kunst- und Kulturgut“ nachzulesen.
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Wir danken Helene Tello für die Erlaubnis, das gezeigte Foto hier veröffentlichen zu dürfen.
Text: Gudrun von Schoenebeck/Online-Redaktion VDR