Etliche Firnislagen und ein "wilder Malschichtaufbau" werden zur Herausforderung Restauratorin legt Dämon in Reynolds-Gemälde frei

Es ging nicht um irgendein nebensächliches Detail, das nach der Restaurierung des Gemäldes von Joshua Reynolds aus dem Dunkel wieder aufgetaucht war. Das Gesicht eines Dämons mit wildem Blick und Fangzähnen machte, frisch gereinigt und nun wieder sichtbar, Schlagzeilen. Die Berliner Morgenpost titelte im November überdramatisierend „Wissenschaftler entreißen Bild ein schreckliches Geheimnis“. Was war geschehen? 

Anlässlich des 300. Geburtstages von Sir Joshua Reynolds (1723-1792), der zu den bedeutendsten englischen Malern des 18. Jahrhunderts zählt und einer der Gründer der Royal Academy of Art in London gewesen ist, war die Restaurierung seines Bildes „Der Tod von Kardinal Beaufort“ vom National Trust beauftragt worden. Das Bild gehört zu den 12 Gemälden von Reynolds, die von der gemeinnützigen Organisation betreut werden. Als Teil der großen Gemäldesammlung im Herrenhaus Petworth in West Sussex ist es der Öffentlichkeit zugänglich. 

Den Auftrag für die Restaurierung erhielt die deutsche Restauratorin Sophie Reddington (geb. Wiegner), die schon seit über 20 Jahren in England eine neue Heimat gefunden hat, aber in Deutschland ausgebildet wurde. Studiert hat sie in Köln, zwischendurch ein Studienjahr in England in einem privaten Restaurierungsatelier in London gelernt und war nach ihrem Abschluss 2001 zunächst nach London gezogen. Nach einigen Jahren als angestellte Restauratorin, erster Selbstständigkeit und Familiengründung in London, habe sie sich 2020 in Hove nahe dem Küstenort Brighton etablieren können, erzählt Sophie Reddington. „Es war unglaublich schwer, ein Atelier zu finden, denn die Vermieter winkten meist ab, sobald sie von den Anforderungen für die Sicherheitstechnik hörten. Ich habe mich dann getraut und mir ein eigenes Restaurierungsatelier im Garten unseres Wohnhauses gebaut.“ 

Der Reynolds mit seinen 2,44 x 1,61 Metern habe dort gerade so hineingepasst. Bereits 2015 hatte die Restauratorin das Reynolds-Gemälde „Macbeth und die Hexen“ restauriert, das Reynolds ebenfalls im Auftrag für eine geplante Shakespeare Gallery gemalt hatte, so dass ihr seine Malweise nicht fremd war. „Einige der restauratorischen Schwierigkeiten liegen tatsächlich in seiner Art zu malen begründet. Reynolds war als Künstler sehr freidenkend, er experimentierte mit dem Material, hatte einen wilden Malschichtaufbau. Er benutzte auch viel zu viel Bindemittel und trug die Farbe sehr schnell auf und mischte manchmal Wachs dazu, um bestimmte Effekte zu erzielen.“ Der „Tod des Kardinal Beaufort“ sollte für Sophie Reddington noch weitere Herausforderungen bereithalten.

Das Bild, das 1789 zum ersten Mal ausgestellt wurde, zeigt eine Szene aus Shakespeares „Heinrich VI. Teil 2“, in der der König am Sterbebett seines Großonkels, des Kardinals, steht. Der König fleht Gott um ein friedliches Ende für seinen Verwandten an und sagt: „Oh, schlagt den fleißigen, sich einmischenden Dämon fort.“ Reynolds nimmt die poetische Redewendung wörtlich und malt den Dämon, wie er sich aus dem Schatten heraus über den sterbenden Kardinal beugt. Das bringt Reynolds zum Teil heftige Kritik bei seinen Zeitgenossen ein, die die bildliche Manifestation der metaphorischen Figur inakzeptabel finden. In den ersten Kupferstichen, die damals üblicherweise angefertigt wurden, um die Bildidee zu verbreiten, war der Dämon noch zu sehen. Nach dem Tod von Reynolds 1792 wurde jedoch in einer weiteren Auflage versucht, den Teufel im Hintergrund loszuwerden. 

„Ich kannte die alten Drucke und wusste also von dem Dämon“, erzählt Sophie Reddington, „aber im Original war davon kaum etwas zu erkennen. Ich habe mich zunächst intensiv mit dem Bild, dem Malschichtaufbau und den Firnislagen beschäftigt. Es hat wochenlang gedauert, bis ich das Konzept für die Restaurierung entwickelt hatte.“ Sie nahm Malschicht- und Firnisproben, die dann in einigen Bereichen insgesamt sechs Firnislagen aufwiesen, welche zum Teil mit Schichten aus Schmutz vermischt waren. Das Bild war wahrscheinlich im späten 19. oder frühen 20. Jahrhundert doubliert worden – also von der Rückseite durch ein zweites stützendes Gewebe gefestigt – was durch zu starke Hitze Schäden auf der vorderen Malschicht verursacht hatte. „Als ich nach England kam, gab es hier noch den eigenen Beruf des Doublierers, der mittlerweile jedoch vom Ausstreben bedroht ist“, erinnert sich Sophie Reddington. „Heute macht man das, wie auch in Deutschland, nur noch in Notfällen.“ Die Hitzeschäden hatten vor allem das Rot im Bild angegriffen. An diesen Stellen gab es viele Übermalungen.

Die Restauratorin fand außerdem viele Frühschwundrisse im Gesicht des Dämons und eine stark ölhaltige Lasur. Sie habe auch Wattefussel, die im Bild klebten, entdeckt und vermutet, dass jemand bei einer versuchten Firnisabnahme zu starke Lösungsmittel verwendete, sich in eine heikle Situation brachte, bei der sich originale Farbschichten anlösten und die Watte dabei kleben blieb. Dazu gibt es kaum Dokumentationen, nur hin und wieder einige Notizen von früheren Restauratoren, z.B. einen Nachweis, dass John Brealey Anfang der 1970er Jahre einen Kunstharz-Firnis aufgetragen hatte, der nun über die Jahre sehr spröde geworden war. 

Sie habe dann mit der Firnisreduzierung im Zentrum des Bildes begonnen und sich vorsichtig nach außen vorgearbeitet. „Die wahnsinnige Verantwortung belastet einen schon und wenn ich zu angespannt war, habe ich erstmal eine Nacht drüber geschlafen. Das Gemälde war sieben Monate in meinem Atelier und obwohl ich mir auch oftmals Hilfe für bestimme Projekte bei der Restaurierung hole, habe ich es in diesem Fall alleine durchgezogen. Ich hatte mich so tief eingearbeitet in den Aufbau des Bildes, dass es sehr schwierig gewesen wäre, dieses Wissen weiterzugeben.“

Die Restauratorin hat sich nach der Reinigung – und „minimalen Retusche“ – für eine Kombination aus einem Dammarfirnis und einem synthetischen Firnis entschieden. „Den Dammarfirnis, also das natürliche Harz, habe ich gestrichen und darauf den synthetischen Firnis, das ist hier Acrylharz Laropal A81, gesprüht.“ Diese Vorgehensweise habe vielleicht auch ein wenig mit ihrer Ausbildung zu tun, meint Sophie Reddington. „Im Unterschied zu deutschen Restauratoren, die natürliche Materialien und ihre verlässlichen Eigenschaften bevorzugen, arbeiten englische Restauratoren eher mit synthetischen Materialien, wie etwa beim Firnissen oder beim Retuschieren.“

Der Dämon hat nun die Gewichtung im Bild zurückerhalten, die Reynolds ihm geben wollte. Er lauert über dem Kardinal Beaufort, der auf seinem Sterbebett liegt und, geplagt von Schuld, Gott anfleht ihm für seine Missetaten zu vergeben. Auch die frischen Farben nach der Restaurierung, die wieder zum Vorschein gekommen sind, unterstreichen diese dramatische Szene. Inzwischen hängt das Bild wieder in Petworth und der Besucherandrang sei riesig, sagt Sophie Reddington. 

Sie hat bereits das nächste große Projekt in Arbeit, das ebenfalls aus der Sammlung von Petworth House stammt. Dieses Mal handelt sich um ein Gemälde der Malerin Angelika Kauffmann (1741-1807). Ab März 2024 ist eine Retrospektive über die bekannte Künstlerin des Klassizismus in der Royal Academy in London geplant. Angelika Kauffmann war sehr eng mit Reynolds befreundet und er hatte sie sozusagen unter seine Fittiche genommen, so dass sich hier ein kleiner Kreis für die Restauratorin schließt. Begleitend zu dieser Retrospektive wird es eine separate Ausstellung ab Mai 2024 in Petworth geben, worüber sich Sophie Reddington besonders freut, da in dieser die Restaurierung des Bildes und seines Rahmens gezeigt werden. „Dabei werden auch die verschiedenen Maßnahmen, Materialien und Werkzeuge der Restauratoren gezeigt, inklusive eines Films, der in meinem Atelier derzeit gedreht wird, um den Besuchern unsere Arbeit näher zu bringen.“

Mit Sophie Reddington sprach Gudrun von Schoenebeck von der Online-Redaktion.

Links:
Petworth House

Highlights from the Sir Joshua Reynolds collection

Retrospektive über Angelika Kauffmann in der Royal Academy in London (01.03.-30.06.2024) 

1 Comments

  1. Veröffentlich von Marius am 18. Dezember 2023 um 10:26

    Die faszinierende Arbeit der Restauratorin Sophie Reddington ist beeindruckend und weitreichend. Ihre akribische Herangehensweise und ihr tiefgehendes Verständnis für Reynolds‘ Malstil haben dazu geführt, dass ein lange verschollenes Geheimnis ans Licht kam – das Gesicht eines Dämons, das frisch gereinigt und wieder sichtbar wurde. Sensationel! Das Ergebnis ist ein restauriertes Gemälde, das nicht nur das ursprüngliche Meisterwerk von Reynolds zeigt, sondern auch das dramatische Element des Dämons betont. Grossartige Arbeit.

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