Für ihre nächste große Tagung haben die Sprecherinnen der Fachgruppe Textil ein höchst spannendes Programm zusammengestellt. Unter dem Titel „Neu aufgerollt! – ein frischer Blick auf Methoden und Materialien in der Textilrestaurierung“, möchte das Tagungsteam sowohl Bekanntes und Bewährtes als auch Neues und Innovatives in eine lebendige Diskussion bringen. Im Fokus stehen neben der Evaluierung bekannter Methoden vor allem Berichte zur Erprobung oder Entwicklung neuer Materialien, Geräte oder Methoden.
Über die Tagung und das Programm sprach Gudrun von Schoenebeck von der Online-Redaktion des VDR mit der Textilrestauratorin Kerstin Heitmann.
Kerstin Heitmann hat 2015 an der TH Köln ihren Masterabschluss gemacht und war anschließend Volontärin an der Museumslandschaft Hessen Kassel. Seit 2017 ist sie freiberuflich in Köln tätig. Ihr besonderes Interesse gilt der modernen und zeitgenössischen Kunst sowie der Faseruntersuchung. Gemeinsam mit Laura Peters und Verena Thiemann bildet Kerstin Heitmann das Sprecherinnenteam der Fachgruppe Textil im VDR.
Frau Heitmann, das Programm der Tagung umfasst inhaltlich eine große Bandbreite. Was verbindet die Vorträge miteinander?
Kerstin Heitmann: Wir beschäftigen uns in dieser Tagung besonders mit neuen Techniken und Methoden und haben dazu passende Themen gesammelt. Wir wollten wissen, wie der Status Quo in der Textilrestaurierung ist und einen fachlichen Austausch zu aktuellen Forschungsthemen anbieten. Oft sind das kleine Themen, zu denen man in der Literatur (noch) nichts findet, aber auf der Tagung können sie vorgestellt und diskutiert werden. Sehr spannend ist auch der Blick über die Textilrestaurierung hinaus, in dem wir uns mit anderen restauratorischen Fachbereichen und deren Methoden austauschen, etwa mit den Gemälderestauratoren oder den Restauratoren für zeitgenössische Kunst.
Insgesamt soll diese Tagung ein Anstoß sein, um über die eigene Arbeit zu reflektieren und neue Impulse zu bekommen. Für mich als selbstständig arbeitende Textilrestauratorin entspricht diese große thematische Bandbreite meinem Arbeitsalltag. Das geht sicher den meisten Selbstständigen so.
Können Sie zu den einzelnen Vorträgen jeweils kurz sagen, worum es geht?
Kerstin Heitmann: Ja, gerne. Wir beginnen mit einem Vortrag von Corine Siegmund, die eine Maori Flechtarbeit, einen geflochtenen Rock für den traditionellen Haka-Tanz, digital rekonstruiert hat. Hier geht es unter anderem um den besonderen Umgang mit einem kulturell sensiblen Objekt. Für eine interkulturelle Kommunikation hat sich die Restauratorin mit der neuseeländischen Herkunftsgemeinde in Verbindung gesetzt. Danach berichtet Kathrin Hartung über Herstellungstechniken historischer Perücken. Ihr Vortrag beruht auf ihrer Masterarbeit an der TH Köln, in der sie als erste systematisch dieses Thema behandelt und dokumentiert hat. Im Vortrag von Tanja Kimmel und Carine Gengler geht es um die Restaurierung eines höchst außergewöhnlichen Objektes: Der „Schuhsessel“ der Künstlerin Birgit Jürgenssen von 1974. Für einen Riss im Leder der Schuh-Skulptur musste eine neue Methode der Verklebung gefunden werden. Susanne Schumann spricht anschließend über die Schadensbilder des Materials Elastan, das bis heute vielfältig eingesetzt wird und über dessen Alterungseigenschaften wir immer noch viel zu wenig wissen. Dazu passt auch der Vortrag von Hanna Bothe, in dem es um die Identifizierung von frühen synthetischen Celluloseregeneratfasern geht. Die Analyseergebnisse hat sie in einer Datenbank gesammelt. Sie erklärt ganz praktisch, durch welche optischen und haptischen Eigenschaften erste Hinweise zur Faserbestimmung auch ohne Probeentnahme möglich sind. Der erste Tag endet dann mit einem Vortrag von Aldona Jedrusik, die an einem interessanten Forschungsprojekt in Bratislava arbeitet. Sie beschäftigt sich mit Bakterien, die sehr effektiv und nachhaltig für die Reinigung historischer Textilien eingesetzt werden können. Das ist ein völlig neues Forschungsgebiet.
Der zweite Tagungstag beginnt mit Eva Catic, die eine große Umfrage gemacht hat, wie Textilrestaurator:innen Tapisserien nähtechnisch sichern. Dazu muss man wissen, dass die Art der Stiche variiert und u.a. davon abhängt, in welchem Land man seine Ausbildung gemacht hat. Die verschiedenen Sticharten wurden an Testobjekten rekonstruiert und anschließend sowohl die unterschiedlichen Nähmethoden verglichen als auch die Untersuchungs-Methodik evaluiert. Wobei sich die wichtige Frage stellt, ob die seit vielen Jahren gängigen Sticharten noch immer praktikabel und geeignet sind. Mona Konietzny berichtet von einem hochschulübergreifenden Forschungsprojekt, in dem sie eine neue Methode der Verklebung entwickelt hat. Es handelt sich um ein dünnes, diffusionsoffenes Klebstoffgitter, das ohne Trägergewebe kontrolliert auch in kleinste Zwischenräume eingebracht werden kann. Diese Methode ist sowohl für Gemälde- als auch für Textilrestaurator:innen interessant. Julia Dummer und Katharina Mackert berichten von der Restaurierung einer bestickten Wandbespannung mit schwerem Schadensbild, welche sie mit den neuartigen Klebstoffwabengittern sichern konnten. Ebenfalls aus der Praxis erzählt Roxana Naumann, wie mit gefärbtem Japanpapier die Fehlstellen in einer Wandbespannung sowohl gesichert als auch retuschiert werden konnten. Im letzten Vortrag stellt Jelena Miloradić vor, wie sie mit partiell gefärbtem Nylon-Tüll die Schadstellen an einem sehr fragilen mittelalterlichen Kinderkleid überdeckte und so die Lesbarkeit des Objektes erreichen konnte.
Zum Ende der Tagung – vor der Fachgruppensitzung und Sprecherwahl – soll es noch sogenannte Breakout-Rooms geben. Was hat es damit auf sich?
Kerstin Heitmann: Obwohl die Tagung online stattfindet, wollten wir den Teilnehmer:innen die Möglichkeit geben, sich in kleineren Gruppen zu treffen und auszutauschen. Ein solches Treffen lässt sich virtuell sehr gut mit Hilfe von Breakout-Rooms realisieren. Wir haben uns, an die Vorträge anknüpfend, ein paar Themen überlegt, über die diskutiert werden könnte: Konservierung moderner Materialen, Umgang mit ethnologischen Objekten aus kolonialen Kontexten, neue Reinigungsmethoden, näh- und klebetechnische Sicherungsmaßnahmen, unterschiedliche Färbemethoden und Nachhaltigkeit an Museen. Das sind nur einige Vorschläge und wir würden uns sehr über Rückmeldungen zu diesen oder anderen Themen freuen.
Bis zum 06.06.2021 gilt der Frühbuchertarif. Ein Tagungsspecial bietet Vergünstigungen für neue VDR-Mitglieder.