Im November 2019 veröffentlichte der Oberste Rechnungshof Bayerns (ORH) eine Prüfung der Kunst am Bau-Praxis im staatlichen Hochbau (vgl. ↗︎VDR-Blogbeitrag vom 19.08.2020). Unter Kunst am Bau versteht man gemeinhin Kunstwerke, die im Rahmen des Neubaus oder der Sanierung eines Gebäudes entstehen und aus einem Prozentsatz der Baukosten finanziert werden. Der Rechnungshof nimmt bei solchen Prüfungen die gesamte Haushaltsführung des Landes finanzpolitisch unter die Lupe und schlägt anschließend Sparpotentiale vor.
Für den Freistaat war es das erste Mal, dass die Kunst am Bau Gegenstand einer solchen Untersuchung war; und sie zeigte, reichlich bebildert, Defizite auf: die fehlende Erfassung der Grunddaten wie auch der Zustände der Werke, kleine und große Veränderungen und Schäden, mangelndes Fachpersonal, defizitäre Öffentlichkeitsarbeit, Probleme mit Folgerechten und schlussendlich teure Restaurierungskosten. Alles in allem wurde hier kein besonders schmeichelhaftes Bild gezeichnet, – von einer Kunst und dem Umgang mit ihr, der außerhalb musealer und oftmals auch denkmalpflegerischer Räume und Strukturen stattfindet (– oder eben auch nicht). Was im Freistaat Bayern ein Novum gewesen sein mag, hat die Kunst am Bau im Land Baden-Württemberg nun bereits zwei Mal durchlaufen. Der folgende Beitrag zitiert aus den beiden Berichten mit dem Blick einer Restauratorin und versucht sich an der Formulierung eines Wunsches für Werke und Fach.
2005 und 2015 prüfte der Rechnungshof Baden-Württemberg (RH) stichprobenartig den Bereich Kunst am Bau im staatlichen Hochbau. Der erste Bericht beschäftigte sich vorwiegend mit der Höhe der Ausgaben und den Auswahlkriterien für neue Kunst am Bau-Werke, der Instandhaltung und Inventarisierung des Bestands, der Wertsteigerung und dem potentiellen Verkauf von Objekten. Für eine Restauratorin liest sich der Bericht an den Stellen besonders interessant, an denen tatsächlich konkrete Restaurierungskonzepte vorgeschlagen werden, z.B. für verblasste Farbanstriche, welche „in regelmäßigen Zeitabständen erneuert werden müssen“ (S. 199). Dies lässt einen doch verwundert zurück, ob des an dieser Stelle alternativlos wirkenden Lösungsansatzes und der scheinbaren Normalität eines solchen Eingriffs in das Werk. Und ich möchte betonen, dass eine solche Maßnahme auf Basis eines vorangegangenen restauratorischen Befunds durchaus mit in die nähere Auswahl gezogen werden kann, z.B. bei der Erhaltung von (Außen-)Skulpturen. Aber sie sollte eben nicht die einzige Wahl sein.
Später im Text werden zwei Werkbeispiele aufgeführt, die durch „unsachgemäße Pflege“ (S. 200) entweder teuer restauriert werden mussten oder Teilverluste erlitten haben. Beides führt der RH darauf zurück, dass die Akzeptanz der Nutzer_innen für die Werke gefehlt habe. Dies ist ein durchaus wichtiger Hinweis, denn was dem Menschen etwas wert ist, um das kümmert er sich auch. Und vice versa, was er nicht wahrnimmt oder gar ablehnt, das pflegt er auch nicht bzw. ungern. Für die Kunst am Bau und ihren Erhalt kann die Beziehung zwischen Werk und Publikum also durchaus ein wunder Punkt sein.
Zehn Jahre später erfolgte dann die zweite Prüfung des RH, die insbesondere bei den Themen Vergabe und Inventarisierung eine positive (!) Nachschau auf 2005 zeichnete. Der Bericht offenbart aber vor allem, dass der RH die Werte der Werke erkannt hat, die hier schlummern und die es zu bewahren gilt; sei es, um das Landesvermögen zu vermehren, oder aber, um gute Preise beim zum wiederholten Male angesprochenen Verkauf einzelner Objekte auf dem Kunstmarkt zu erzielen. Diese Erlöse sollten dann gemäß RH in einem „rollierenden System“ (S. 140) in neue Kunst am Bau-Werke investiert werden. Das Finanzministerium wie auch die Landesregierung Baden-Württemberg sprechen sich allerdings bis heute gegen einen solchen Verkauf von Werken aus dem Bestand aus und verweisen darauf, dass ähnliche Vorhaben in Nordrhein-Westfalen keine guten Resonanzen in der Öffentlichkeit bekommen haben.
Darüber hinaus thematisiert die Denkschrift von 2015 altbekannte Probleme wie das Abhandenkommen und die fehlende Sorgfalt beim Unterhalt von Kunstwerken. Als Objektbeispiele dienen hier eine Videoinstallation und ein Lichtkunstwerk, die beide außer Betrieb genommen wurden. Eine Tatsache, die nicht selten anzutreffen ist und ein großes Paradox aufzeigt: einerseits waren und sind interaktive/partizipative Werke sehr attraktiv in Kunst am Bau-Wettbewerben, da ihnen zugesprochen wird, dass sie die Gebäudenutzer_innen auf bestimmte Weise aktivieren können und diese die Objekte damit schneller akzeptieren. Auf der anderen Seite bedingen aber gerade solche Werke intensiver und stetiger Pflege, damit sie ihr volles Potential entfalten können. Nur leider fehlen dafür oftmals das Knowhow und die Zeit.
Die Auszüge aus den beiden Berichten mögen freilich nur an der Oberfläche kratzen, aber sie vermitteln einen Eindruck davon, dass Kunst am Bau-Werke und ihr Umfeld auch für unser Fach, die Konservierung und Restaurierung, spezielle Anforderungen parat halten: Strukturen, Prozesse und Sehgewohnheiten, wie wir sie aus Museen kennen, gibt es hier häufig nicht. Veränderungen und unsachgemäße Reparaturen sind keine Einzelfälle. (Detaillierte) Informationen zum Werdegang von Bestandswerken sind dezentral verteilt. Regelmäßige Monitorings durch Restaurator_innen werden nur vereinzelt durchgeführt. Interdisziplinäre Zusammenarbeit mit Verwaltungsangestellten, Architekt_innen, Statiker_innen, Fachplaner_innen usw. ist notwendig.
Berichte wie die „Denkschriften“ des RH Baden-Württemberg oder die „Beratende Äusserung“ des ORH Bayern können hierbei etwas in Gang setzen und Gespräche zwischen den Disziplinen und über die Werke initiieren. So wurde ein interner Leitfaden zur Kunst am Bau für den staatlichen Hochbau Baden-Württemberg entwickelt, Restaurierungsvorhaben und Standortwechsel von Werken werden in einer Fachkommission diskutiert und die zentrale Inventardatenbank füllt und vervollständigt sich nach und nach.
Was ich mir also wünschen würde? Mehr Raum und Ressourcen für die Untersuchung und Vermittlung ebenjener Objekte, die mit teils sehr bewegten Biografien aufwarten. Das hängt natürlich vornehmlich vom Willen der Eigentümer_innen ab. Darüber hinaus kann die Konservierung-Restaurierung aber auch mitwirken, indem sie kommuniziert, (sich) erklärt und hilft, Kompromisse zu finden.
Und was man dort lernen kann? Dass wir allein durch die Aufmerksamkeit, die wir den Kunst am Bau-Werken bei unseren Untersuchungen schenken, wie wir sie anfassen und Zentimeter für Zentimeter abscannen, wie wir erklären, was wir da tun, bereits stärkere Wahrnehmung bei den Akteuren generieren können. Und die ist schließlich der Anfang von Akzeptanz – und Fürsorge.
Zum Nach- und Weiterlesen:
– Bayerischer Oberster Rechnungshof, Beratende Äußerung, Kunst am Bau im Staatlichen Hochbau, November 2019 (pdf)
– Rechnungshof Baden-Württemberg, Denkschrift 2005 (pdf)
– Rechnungshof Baden-Württemberg, Auszug Denkschrift 2015, Kunst am Bau (pdf)
Denise Madsack ist Restauratorin für moderne und zeitgenössische Kunst und Kulturgut und entdeckte ihre Zuneigung zur Kunst am Bau über ihren Freiberuf. Aktuell schreibt sie an ihrer Dissertation, in der sie zur Erhaltung und Vermittlung von Kunst am Bau forscht.