Der Oberste Rechnungshof in Bayern rügt den Umgang mit dem kulturellen Erbe Kunst am Bau – vernachlässigt, beschädigt, vergessen

Es war das erste Mal überhaupt, dass der Bayerische Oberste Rechnungshof (ORH) sich dieses – wie sich herausstellen sollte – vernachlässigten Themas angenommen hat. Die Rede ist von der Kunst am Bau im staatlichen Hochbau. Wie andere Bundesländer auch unterstützt Bayern seiner Verfassung gemäß seit 1950 zeitgenössische bildende Künstler und gibt bei großen Baumaßnahmen des Staates bis zu zwei Prozent der Baukosten zweckgebunden für Kunst am Bau aus. Von 2010 bis 2016, rechnet der ORH vor, habe man 6,2 Millionen Euro für die Neubeschaffung von Kunstwerken in Bayern aufgewendet.

Beschilderung auf Wandgestaltung in der Universität Bayreuth, Rechts- und Wirtschaftswissenschaften (Foto: © Bayerischer Oberster Rechnungshof/Staatliche Rechnungsprüfungsämter)

Soweit so gut – oder auch nicht? Denn der Beratenden Äußerung „Kunst am Bau im staatlichen Hochbau“ vom November 2019 des ORH zufolge liegt bei der Kunst, was die Beschaffung und auch die Instandhaltung betrifft, einiges im Argen: „Ob die Kunst am Bau ordnungsgemäß erhalten und in einem würdigen Umfeld präsentiert wird, ist weitestgehend dem Zufall überlassen“, heißt es im 60-seitigen Bericht, der sich wie eine lange Mängelliste liest. Geprüft und untersucht wurden die sachgerechte und ordnungsgemäße Beschaffung von 123 neuen Kunstobjekten sowie die Verwaltung, Pflege und Instandhaltung von 1.661 vorhandenen Kunstobjekten.

Die drei farbig gefassten Figurenstelen aus Douglasienholz sind verwittert und instabil. Aus Sicherheitsgründen wurde ein Schutzzaun errichtet. Universität Erlangen-Nürnberg, Zentrum für medizinische Physik und Technik. (Foto: © Bayerischer Oberster Rechnungshof/Staatliche Rechnungsprüfungsämter)

Vorab benennt der ORH die „baukulturelle Verantwortung und öffentliche Vorbildfunktion“, die der Freistaat als öffentlicher Bauherr mit den aus Steuergeldern finanzierten Bauwerken habe. Zwar könne sich der Wert von Kunst nicht allein anhand von wirtschaftlichen Maßstäben messen lassen, aber neben dem Preis der Kunstwerke müsse auch die Angemessenheit von Kosten für Erhalt, Instandhaltung und Schutz bewertet werden. Nicht monetär bewertbar sei die generelle Wertschätzung für Kunstwerke an staatlichen Bauten, denn „was man schätzt, das schützt man“. Hier sei eben auch ein immaterieller, kultureller Wert zu erhalten und zu vererben.

Verwittert, beschmiert, beschädigt und als Müllkippe verwendet ist diese Steinskulptur in Ingolstadt, Wasserwirtschaftsamt. (Foto: © Bayerischer Oberster Rechnungshof/Staatliche Rechnungsprüfungsämter)

Was bemängelt der ORH im Einzelnen und welche Empfehlungen gibt er?

  • Der unübersehbar große Bestand von Kunst am Bau, der fortwährend wächst, sei weder zentral inventarisiert noch monetär bewertet. Die genaue Anzahl der Objekte könne der ORH „mit vertretbarem Aufwand“ nicht ermitteln. Es fehle jegliche Grundlage für eine ordnungsgemäße Verwaltung, Pflege und Instandhaltung.

    Empfehlung: Der Gesamtbestand sollte erfasst und an zentraler Stelle inventarisiert werden. Zugleich empfehle sich ein digitales Depot, damit die von ihrem ursprünglichen Standort entfernten und eingelagerten Kunstwerke für einen neuen Standort bereitgestellt werden können.

  • Viele Kunstwerke seien in einem sehr schlechten Zustand oder fristeten ihr Dasein in einem für sie beschämenden Umfeld. Zahlreiche Objekte würden derart vernachlässigt, dass sie stillgelegt oder beseitigt werden müssten.

    Empfehlung: Ein Konzept soll erstellt werden, das sich mit dem Unterhalt des Bestandes befasst.

  • In der Regel würden sowohl die Künstler als auch die das Gebäude später nutzende Verwaltung viel zu spät an den Planungen beteiligt und unzureichend eingebunden.  (Der ORH bemängelt in diesem Zusammenhang auch etliche Details der Vergabepraxis von Kunst am Bau.) Bei der Auswahl der künstlerischen Leistung werde viel zu wenig auf den Pflege- und Instandhaltungsaufwand geachtet. Aufwendige Pflegemaßnahmen und hohe Folgekosten seien unter anderem ein Grund für den schlechten Zustand vieler Kunstwerke.

    Empfehlung: Die künstlerische Leistung soll bereits ab der Entwurfsplanung in das Bauprojekt einbezogen und auch mit der nutzenden Verwaltung entwickelt werden.

  • Es fehle an kunstsachverständigem Personal, so dass es dem Zufall überlassen bleibe, ob die Kunst am Bau vor Ort wertgeschätzt werde und ihre Verwaltung, Pflege und Instandhaltung fachgerecht erfolge.

    Empfehlung: Den staatlichen Verwaltungen sollten geeignete Stellen benannt werden, die über kunstsachverständiges Personal verfügen und beratend tätig sind. Auch bei der Festlegung und Auswahl der Kunstwerke solle diese Beratung in Anspruch genommen werden.

  • Es fehle an Informationen über die Kunstwerke und an Öffentlichkeitsarbeit. Das Wissen über die Objekte gehe über einen längeren Zeitraum hinweg verloren und damit sinke oftmals die Wertschätzung.

    Empfehlung:  Die Öffentlichkeitsarbeit soll intensiviert werden, z.B. mit QR-Codes an den Kunstwerken, Führungen, Künstlergesprächen, Kunstlageplänen, Pressearbeit und Vorstellung auf der Homepage der Behörde. Ziel sollte ein barrierefreies „Bayerisches Museum für Kunst am Bau“ sein.
Wandgestaltung eines Speisesaals mit Klebebild aus einem Schokoriegel im Finanzamt Erlangen. (Foto: © Bayerischer Oberster Rechnungshof/Staatliche Rechnungsprüfungsämter)
Klebebild (unten rechts) auf der Wandgestaltung eines Speisesaals im Finanzamt Erlangen. (Foto: © Bayerischer Oberster Rechnungshof/Staatliche Rechnungsprüfungsämter)

In der zweiten Hälfte seines Berichtes liefert der ORH konkrete Beispiele und zeigt anhand von Fotos, wie die Misere der vernachlässigten Kunst am Bau ausschauen kann. Da gibt es Skulpturen, deren Teile sich ursprünglich bewegten und die nun seit Jahren stillstehen und Wandbilder, die man hinter Zimmerpflanzen suchen muss oder von behördlicher Beschilderung verdeckt werden. Es gibt Naturwerksteine, die als Fahrradständer dienen und Lichtkunst, die aufgrund der hohen Folgekosten und komplizierten Pflege abgeschaltet wurde.

Funktionslose Brunnenskulptur aus Nagelfluh auf dem Stammgelände Nord der TU München, die von Moosen und Flechten besiedelt ist. Ursprünglich trat das Wasser auf den Zylinderoberseiten aus, überrieselte die Skulptur und floss im Pflasterboden ab. (Foto: © Bayerischer Oberster Rechnungshof/Staatliche Rechnungsprüfungsämter)

Besonders auffällig, schreibt der ORH, seien die vielen stillgelegten Brunnen. „Wegen undichter Becken, schadhafter Brunnentechnik oder hoher Verbrauchskosten werden sie außer Betrieb genommen. Von 81 erhobenen Brunnenanlagen, Wasserbecken u.ä. fließt in mehr als der Hälfte kein Wasser mehr.“ Häufig verwittern, verrosten und verfallen die Kunstwerke bei mangelnder Pflege, bis manchmal sogar die Verkehrssicherheit nicht mehr gewährleistet ist. Hinzu kommen Beschädigungen durch Vandalismus, Schmierereien oder Müll. Manche Kunstwerke können kaum noch gefunden werden, weil sie überwachsen sind oder nachträglich verändert wurden. 95 Kunstwerke konnte der ORH bei der Erhebung nicht oder nur noch in Teilen an den für sie vorgesehenen Stellen finden.

„Die festgestellten Vernachlässigungen führen nicht nur zu einer unschönen Präsentation der Kunstwerke, sondern teils auch zu Sicherheitsmängeln und erheblichen Schäden. Die Folgen sind kostspielige Restaurierungen“, schreibt der ORH.

Bei diesem Thema werden sich viele Restauratoren angesprochen fühlen, insbesondere wenn es um die anstehende Inventarisierung mit einer Schadenserfassung geht. Der VDR wurde durch den Bayerischen Künstlerverband BBK auf den Bericht des ORH aufmerksam gemacht und möchte sich gemeinsam mit dem BBK für die Inventarisierung der Kunst am Bau einsetzen. Anregungen und Ideen dazu nimmt unser (bayerisches) Präsidiumsmitglied Julia Brandt entgegen.

Text: Gudrun von Schoenebeck, VDR-Redaktion

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