Wie ein gelandetes UFO steht das elliptische Objekt, acht Meter im Durchmesser und sechs Meter hoch, seit kurzem vor der Pinakothek der Moderne in München. FUTURO, 1965-67 vom finnischen Architekten Matti Suuronen als Skihütte konzipiert, ist heute eine Design-Ikone des Space-Age. Im VDR-Interview erzählt Dipl.-Restaurator Tim Bechthold, einer der Kuratoren der FUTURO-Präsentation in München, über die Herausforderungen der Restaurierung.
Das Münchner FUTURO-Haus konnte 2016 für Die Neue Sammlung erworben werden und wird nun nach einer umfassenden Restaurierung zum ersten Mal gezeigt. Das FUTURO wurde von der finnischen Firma Polykem Ltd. als eines der ersten serienproduzierten Kunststoffhäuser der Geschichte hergestellt und international vertrieben. Seine Wände bestehen aus Fiberglas (Polyesterharz + Glasfaser) welches eine Isolierung aus Polyurethan-Schaum sandwichartig umfasst. Um den Auf- und Abbau zu erleichtern, wurde es in 16 Kreissegmenten hergestellt, die vor Ort innerhalb von zwei Tagen zusammengebaut werden konnten. 16 doppelt verglaste Fenster bieten einen Panoramablick.
Das Gebäude mit 25m² Wohnfläche kann auch in unwegsamem Gelände aufgebaut werden und hält extremen Temperaturen genauso stand wie Erdbeben oder Stürmen. Die Tür fungiert gleichzeitig als ausklappbare Treppe, ähnlich jener von kleinen Privat-Jets, über die man das auf seinem Stahlfundament schwebende FUTURO betritt. Der kreisrunde, nicht unterteilte Innenraum enthält, abgesehen von einer umlaufenden Bank, keine Einrichtung.
Etwa 70 Exemplare des FUTURO-Hauses sind insgesamt verkauft worden, von denen heute ca. 60 erhaltene Häuser bekannt sind. FUTURO verkörpert die Zukunftsvisionen der 1960er-Jahre, in denen neue Materialien im Zentrum visionärer Entwürfe von mobilen Lebensräumen standen. Geprägt von Zuversicht in Wissenschaft und Technik sowie die Eroberung des Weltraums, symbolisiert das FUTURO das Streben nach neuen, funktionalen, effizienten und massenproduzierbaren Behausungen dieser Zeit.
Die VDR-Redaktion sprach mit dem Diplom-Restaurator Tim Bechthold, einem der Kuratoren der FUTURO-Präsentation in München.
Herr Bechthold, was bedeutet in diesem Falle eine „umfassende Restaurierung“?
Bechthold: Das Münchener Exemplar des FUTURO wurde zunächst in den frühen 1970er-Jahren von Stiebel Eltron gekauft und auf dem Firmengelände in Vlotho errichtet. 2012 erwarb es das Charles-Wilp-Museum in Witten. Von dort aus gelangte es nun nach München. Die meisten der FUTURO-Häuser sind in einem schlechten Zustand, denn sie haben meist 40 bis 50 Jahre frei bewittert draußen gestanden. Bei unserem Exemplar kommen erhebliche Schäden hinzu, die beim Transport nach Witten entstanden sind. Das Haus war unzerlegt und mit abgeflexten Beinen auf einem Sattelschlepper transportiert worden. Später wurden die Beine zwar wieder drangesetzt, aber so gekürzt, dass die Treppe ebenerdig auflag. Außerdem wurde der Innenraum mit einer 7mm dicken Putzschicht bedeckt, die eine andere Optik als das Original hatte. Diese und andere Eingriffe haben wir rückgängig gemacht. Das FUTURO hat jetzt wieder die originale Höhe und auch die originale Faser-Optik. Ich würde in diesem Fall von einer umfangreichen Sanierung sprechen.
Wie würden Sie bei der FUTURO-Restaurierung, bzw. Sanierung ihre Rolle als Restaurator beschreiben?
Bechthold: Natürlich habe ich mir alles vorher mehrmals angeschaut und auch etliche andere FUTURO-Häuser gesehen. Bei der Restaurierung habe ich die Bauaufsicht gehabt, die Gewerke zusammengeführt, Spezialisten gefunden, für Probleme sensibilisiert – ich war also der klassische Knotenpunkt, an dem alles zusammenlief. Man muss schon wissen, worüber man spricht, das Objekt extrem gut kennen und die Fachterminologie beherrschen, aber die Ausführung übernehmen andere.
Jetzt wird das FUTURO-Haus ein Jahr lang draußen stehen und für die Öffentlichkeit zugänglich sein. Ist das der Albtraum eines Restaurators?
Bechthold: Ich bin kein Restaurator, der in der Depottür klemmt. Wir sind Teil des Museums und das muss attraktiv sein, Gelder akquirieren und Kanäle öffnen. Deshalb fragen wir uns, was der Sammlung gut tut und da wollten wir diese Ikone des Space-Age zugänglich machen, zumindest vorübergehend. Dafür haben wir einen neuen wetterstabilen Außenlack aufgetragen. Aber was den Innenraum betrifft, werden wir jetzt selbst Erfahrungen machen mit den Besuchern. Themen sind auch Sicherheit und Brandschutz, denn es gibt nur eine Treppe als Ein- und Ausgang und die Bodenfenster öffnen sich zwei Meter über der Erde.
Welche Bedeutung hat das FUTURO-Haus heute? Ist der Gedanke an mobile Lebensräume längst passé?
Bechthold: Im Gegenteil, es ist erstaunlich, wie ähnlich die Denkweise heute ist. Damals gab es eine große Technikeuphorie, gepaart mit einer Dystopie und dem Gefühl von Bedrohung, etwa durch neue Raketensysteme oder die Atomkraft. Heute haben wir andere Szenarien, von denen wir uns bedroht fühlen, aber die Parallelen sind deutlich. Hinzu kommt die aktuelle Flüchtlingsproblematik. Container sind beispielsweise zurzeit keine zu haben, mobiles Wohnen ist ein großes Thema. Und eines darf man nicht vergessen. Das FUTURO-Haus sieht zwar aus wie ein UFO, aber entstanden ist es, weil der Architekt etwas Praktisches entwickeln wollte, das zugleich transportabel ist. Die Form des Hauses ist abgeleitet von der Kunststoffhaube eines Silos.
Das FUTURO war bis zum 03.06.2018 im Rahmen von gesonderten Öffnungszeiten und Führungen (begrenzte Teilnehmerzahl) sowie Sonderveranstaltungen für die Öffentlichkeit zugänglich. Öffnungszeiten: donnerstags von 15 bis 20 Uhr, samstags und sonntags von 15 bis 18 Uhr.
Text: Gudrun von Schoenebeck