Sachsen-Anhalts Kulturstaatssekretär Dr. Gunnar Schellenberger (CDU) hat am 28. Oktober 2019 in Naumburg das Amt des Präsidenten des Deutschen Nationalkomitees für Denkmalschutz (DNK) übernommen. Der VDR sagt herzlichen Glückwunsch und freut sich, dass der neue DNK-Präsident uns einige Fragen beantwortet hat.
Sind Sie in ihrer neuen Rolle schon angekommen?
Gunnar Schellenberger: Ja natürlich. Der Schritt vom stellvertretenden Präsidenten zum Präsidenten ist ja nicht so riesengroß. Ich beschäftige mich seit vielen Jahren mit Kultur und Kulturpolitik. So war ich zehn Jahre Vorsitzender des Kulturausschusses des Landtages von Sachsen-Anhalt und trage nunmehr seit mehr als 3 Jahren als Kulturstaatssekretär Verantwortung für diesen Bereich.
Haben Sie als studierter Pädagoge mit politischem Hintergrund einen besonderen Blick auf die Denkmalpflege?
Gunnar Schellenberger: Als Pädagoge hat man einen sehr unmittelbaren Bezug zu dem, was junge Menschen interessiert und anspricht. Ich bin zwar von Hause aus Mathematiklehrer, aber Geschichte und Kunst haben mich immer interessiert, und Jugendliche gehen mit gesunder Neugierde und mit offenen Augen durch die Welt. Sie wollen wissen, woher wir kommen. Nur so können Sie die Gegenwart verstehen und gesellschaftspolitische Entwicklungen einschätzen.
Das Ziel eines jeden Pädagogen muss es sein, junge Menschen zu einem eigenen Urteil zu befähigen. Dies ist ebenso ein pädagogischer wie bildungspolitischer Auftrag.
Welchen Stellenwert haben Restaurierung und Konservierung im Kontext des Denkmalschutzes und der Arbeit des DNK?
Gunnar Schellenberger: Einen sehr hohen. Gerade in Zeiten eines z.T. dramatischen Bevölkerungsrückganges ist die Bewahrung unseres kulturellen Erbes eine ganz wichtige Aufgabe, denn die Denkmäler werden ja nicht weniger. Sie zu erhalten ist daher eine unserer wichtigsten Aufgaben. Dem DNK fällt dabei eine entscheidende Vermittlerrolle zu, wenn es darum geht, dafür Verständnis in der Öffentlichkeit zu schaffen.
Was ist entscheidend, wenn der breiten Öffentlichkeit Anliegen aus Denkmalpflege und -schutz näher gebracht werden sollen?
Gunnar Schellenberger: Entscheidend ist aus meiner Sicht die spannende Vermittlung. Die Darbietung trockener wissenschaftlicher Fakten allein reicht nicht aus. Das ist Sache der Spezialisten, die die wissenschaftlichen Grundlagen erarbeiten. Wir müssen den Menschen spannende Geschichten erzählen, wir müssen ihnen die Relevanz für ihr eigenes Leben nahebringen.
Könnten Sie sich vorstellen, den Europäischen Tag der Restaurierung als DNK mit zu unterstützen und verbreitern zu helfen?
Gunnar Schellenberger: Unbedingt. Restaurierung und Konservierung sind die wichtigsten Grundvoraussetzungen. Denn ohne den notwendigen Erhalt unserer Denkmale kann auch keine erfolgreiche Kulturvermittlung stattfinden.
Was sind aus Ihrer Sicht die großen Herausforderungen für die Denkmalpflege und den Kulturgüterschutz in den kommenden zehn bis zwanzig Jahren?
Gunnar Schellenberger: Eine der großen Herausforderungen ist der Erhalt unserer Denkmalvielfalt. Das Spektrum ist ungeheuer groß. Es geht von archäologischen Fundstellen aus der Altsteinzeit bis zu Bauten der Moderne. Nur durch den Erhalt dieser Vielfalt ist zu gewährleisten, dass wir auch kommenden Generationen ein Gefühl der Identität und des Stolzes auf ihr kulturelles Erbe vermitteln können. Ein zweiter Punkt ist eben diese Vermittlung. Einerseits müssen wir gerade im digitalen Zeitalter vielleicht ganz neue Wege beschreiten. Ein Stichwort ist das Museum digital. Andererseits stellen wir ein enormes Bedürfnis der Menschen nach Authentizität und Originalität fest. Beides in Einklang zu bringen ist eine enorm wichtige Aufgabe.
Was möchten Sie in ihrer Legislaturperiode bewirken?
Gunnar Schellenberger: Ich möchte Kultur, Denkmalschutz noch besser im Bewusstsein der Menschen verankern. Die Politik ganz allgemein und – in aller Bescheidenheit – auch ich als Person können hierfür die Voraussetzungen schaffen. Aber darüber hinaus ist jeder einzelne gefragt, an der Bewahrung unseres kulturellen Erbes mitzuwirken. Nichts ist besser geeignet, ein Wir-Bewusstsein zu fördern als Kultur. Wir sehen bereits jetzt, wie etwa die Himmelsscheibe von Nebra oder die fünf Welterbestätten in unserem Lande den Stolz der Menschen auf ihre Heimat befördern.
Darüber hinaus möchte ich die Schätze unseres Landes weiter bekannt machen. Und dies nicht nur in Deutschland, sondern weltweit. Es gibt ja bereits gute Voraussetzungen. Ich denke hier etwa an die schon existierenden kulturtouristischen Routen oder fantastische Ausstellungen in den letzten Jahren.
Denkmalpflege ist nicht nur ein exotischer Selbstzweck. Wenn es uns gelingt, noch mehr Menschen in unser Land zu locken, erfüllen wir nicht nur den vom Gesetzgeber geforderten Bildungsauftrag, sondern wir tragen auch dazu bei, durch kulturtouristische Maßnahmen die wirtschaftliche Entwicklung unseres Landes zu stärken. Bei aller positiven Entwicklung jetzt schon, sehe ich hier noch ein erhebliches Potenzial für die Zukunft.
Vielen Dank für das Gespräch.
Das Deutsche Nationalkomitee für Denkmalschutz bildet auf Bundesebene eine Klammer um die wesentlich föderal geprägte Denkmalpflege. Bund, Länder, Gemeinden, Kirchen, Fachorganisationen, Vereine und private Bürgerinitiativen arbeiten im Deutschen Nationalkomitee für Denkmalschutz zusammen. Auch der VDR. Das DNK ist somit eine nationale Schnittstelle für die Belange des Denkmalschutzes, der Baudenkmalpflege und der archäologischen und erdgeschichtlichen Denkmalpflege.
Als VDR-Mitglied freue ich mich, dass es in der Politik so engagierte Streiter für den Erhalt des kulturellen Erbes gibt, wie es Gunnar Schellenberger ist! Er ist ein Glücksfall für das DNK, denn Denkmalschutz wird durch seine ehrliche Begeisterung als gesellschaftliches Anliegen begreifbarer, für Politikerkolleginnen und -kollegen in anderen Ländern und im Bund genauso, wie für die Öffentlichkeit. Sachsen-Anhalt hat von Anfang an den respektvollen Umgang mit dem Kulturerbe gelebt – und dadurch enormes Ansehen, auch international, erworben. Neben der Himmelsscheibe von Nebra und manch anderem Schatz steht dafür auch als weithin sichtbares Symbol das 2011 verabschiedete Restauratorengesetz. Irgendwann fiel mal auf einer Sitzung des VDR zum Thema Weltkulturerbe in Deutschland das Argument: „Wer ‚erbt‘ wie ein Weltmeister, der kann sich nicht damit begnügen, zu ‚erhalten‘ wie in der Kreisklasse“. In Magdeburg (und Halle, Halberstadt, Naumburg usw.) hat man das verstanden. Mich stimmt das für das DNK und damit für Deutschland optimistisch!