Im Wachthaus von Schloss Seehof in der Nähe von Bamberg befindet sich eine der Restaurierungswerkstätten des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege. Hier arbeitet Tracy Niepold, die sich als Textilrestauratorin auf archäologische Funde spezialisiert hat. Ein bedeutender Fund der letzten Jahre war ein Kindergrab aus dem Frühmittelalter, das im bayerischen Mattsies in einem Neubaugebiet entdeckt worden war. Im Grab hatten sich neben vielen Beigaben teilweise auch Überreste von Bekleidung erhalten. Dass nach 1300 Jahren noch Textilreste gefunden und identifiziert werden können, ist außergewöhnlich.
Ich spreche mit Tracy Niepold über Das Spezialgebiet der archäologischen Textilrestaurierung, warum das gefundene Samitgewebe aus Seide etwas ganz Besonderes ist und warum es wichtig sein kann, dass man als Textilrestaurator:in auch selbst alte Techniken ausprobiert.
Nach 1300 Jahren wurde das Tuffsteinplattengrab eines im Alter von etwa zwei Jahren verstorbenen Jungen in Mattsies (Lkr. Unterallgäu, Bayern) im Rahmen einer archäologischen Ausgrabung erstmals wieder geöffnet. Die Bestattung war ungestört und enthielt viele verschiedene, teilweise golddekorierte Beigaben. Bereits während der Aufdeckung wurde deutlich, dass sich außergewöhnlicherweise auch Überreste von der Bekleidung des Jungen sowie von anderen Grabausstattungsgegenständen aus organischen Materialien erhalten hatten. (Foto: © Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege)
Um eine detaillierte Dokumentation und Auswertung des Grabbefundes zu gewährleisten, wurde die Grabsohle mit den darauf befindlichen Skelettteilen, Fundobjekten und organischen Materialien vor Ort mit Hilfe von flüssigem Stickstoff eingefroren und für den Transport in die Restaurierungswerkstatt vorbereitet. (Foto: © Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege)
Die komplizierte Bergung wurde von den zuständigen Grabungstechnikern, Archäologen und Restauratoren der Dienststelle Thierhaupten im Vorhinein sorgfältig geplant und erprobt. (Foto: © Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege)
Nach dem Auftauen wurde das Grab auflichtmikroskopisch untersucht und die Ausdehnung und Positionierung verschiedener Materialien, Funde oder Probenentnahmestellen genau dokumentiert. (Foto: © Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege)
Obwohl der bestattete Junge sehr jung verstorben ist, fand sich auch ein reich mit Goldbeschlägen versehenes Kurzschwert im Grab, das quer über dessen Oberkörper platziert wurde. Im hier sichtbaren Griffbereich ist das Spektrum an Erhaltungszuständen der verschiedenen organischen Überreste zu erkennen: es reicht von gut erhaltenen Fragmenten des Gürtelriemens und mit Korrosionsprodukten durchdrungenen Strukturen bis hin zu einer dunkel verfärbten, amorphen Masse. (Foto: © Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege)
Das Goldblattkreuz besteht aus dünnen Goldfolienstreifen, die mittels vorperforierter Löcher auf ein Textil appliziert worden sind. Von diesem Textil und dem verwendeten Nahtmaterial haben sich wenige Überreste erhalten. (Foto: © Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege)
In der linken Ecke der Grabkammer war ein Bronzebecken abgestellt, das unter anderem eine Holzschale und einen Holzteller sowie verschiedene Speisebeigaben enthielt. Das Becken war durch eingedrungenes Grund- oder Regenwasser über viele Jahre hinweg mit Wasser gefüllt, was zur guten Erhaltung der organischen Materialien beitrug. Während der Dokumentation und Bergung des Inhalts musste das dabei eingeschwemmte Sediment zunächst aufwändig entfernt werden. (Foto: © Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege)
An vielen Fundobjekten aus dem Grab haben sich in Folge der Migration löslicher Korrosionsprodukte die dort ehemals vorhandenen Textilien oder andere organische Materialien erhalten. Diese liegen nun als anorganisch umgewandelte, starre Schichten vor. An der Rückseite dieser Riemenzunge konnten Überreste eines Samitgewebes aus Seide identifiziert werden. (Foto: © Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege)
So wird die Riemenzunge mit Samitgewebe aufbewahrt. (Foto: Schoenebeck)
Eisenhaltige Korrosionsprodukte verursachen die erkennbare rötliche Farbgebung und überdecken so einstmals vorhandene Textilfärbungen. Wichtige Merkmale wie Gewebebindung, Fadendichte oder die Spinnrichtung der Fäden lassen sich in diesem Zustand jedoch mikroskopisch noch gut bestimmen. Spezifische Oberflächenmerkmale der Fasern können in einem Rasterelektronenmikroskop sichtbar gemacht und ausgewertet werden. (Foto: © Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege)
Schloss Seehof bei Bamberg (Foto: Schoenebeck)
In einem der Wachthäuser von Schloss Seehof befindet sich die Restaurierungswerkstatt (Foto: Schoenebeck)
Helmut Voß und Tracy Niepold bei der Diskussion am Mikroskop (Foto: Schoenebeck)
Alle unsere Podcast-Episoden sind zu finden unter https://vdr.podigee.i o .