Was bewegt junge Restaurator:innen dazu sich selbstständig zu machen? Welche Hoffnungen, Wünsche und Ängste haben sie? Wie viel Mut gehört zur Selbstständigkeit? Über diese Themen sprechen wir mit jungen Freiberufler:innen in unserer neuen Serie „stark_gegründet“. In der vierten Folge beantworten Theo Querhammer und Thomas Gdanitz unsere Fragen. Gemeinsam sind sie „steinfest Restaurierung“.
Gründerinnen: Theo Querhammer (links) und Thomas Gdanitz
Gründungsjahr: 2020
Unternehmenssitz: Potsdam
Rechtsform: Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR)
Fachrichtung und besondere Kenntnisse: Konservierung und Restaurierung von Natur- und Kunststein
Studium: B.A. und M.A. an der FH Potsdam (Abschluss 2018 und 2019)
Web-Präsenz: https://www.steinfest-restaurierung.com
Warum haben Sie sich zur Gründung entschlossen?
Thomas Gdanitz: Dass wir uns mit eigenen Kräften etwas aufbauen können und dass wir die Entscheidungsgewalt haben, wohin sich unser Betrieb entwickelt – für uns ist damit Freiheit und berufliche Selbstverwirklichung verbunden. Schon in der Ausbildung haben wir Wünsche und Vorstellungen entwickelt und dieses „Kopfkino“ können wir jetzt ausleben, auch ganz praktisch. Zum Beispiel haben wir unsere Werkstatt selbst ausgebaut.
Theo Querhammer: Wir waren auch in der privilegierten Situation, dass wir beide im selben Restaurierungsbetrieb unser Vorpraktikum gemacht haben und unser damaliger Chef uns schon früh in Aussicht gestellt hat, dass wir nach der Ausbildung seinen Betrieb übernehmen können. Darauf haben wir dann hingearbeitet.
Wie kam es dazu, dass Sie sich zu zweit zusammengetan haben?
Thomas Gdanitz: Wir haben uns schon während der anschließenden Ausbildung zum Steinmetz kennengelernt und waren uns sympathisch, und haben auch beide an der FH Potsdam studiert. So konnten wir uns kennenlernen, inklusive der Ecken und Kanten und wir wussten, wie wir unter Druck reagieren. So haben wir neben der akademischen Herangehensweise auch Aspekte der Baudenkmalpflege kennengelernt und können nun beides vereinen.
Theo Querhammer: Wir ergänzen uns auch inhaltlich gut. Thomas hat sich auf Beton und Marmor und ich mich auf Sand- und Kalkstein spezialisiert. Die grundlegende firmeninterne Aufgabenverteilung haben wir uns gut überlegt und in unserem GbR-Vertrag festgehalten. Ich bin ich eher zuständig für die Werkstatt- und Baustellenorganisation sowie den Maschinenpark, während Thomas die Sparten Akquise, PR & Kommunikation übernimmt. Trotzdem können wir auch jeder für sich Aufträge von Anfang bis Ende alleine abwickeln.
Wichtig war uns auch, dass wir Privatleben und Beruf in Einklang bringen und uns dabei unterstützen. Ich bin im letzten Jahr Vater geworden und habe während der Anfangszeit viel Dokumentation und Planung im Homeoffice gemacht. Zudem werde ich bald für zwei Monate in Elternzeit gehen. Das Elterngeld gibt es in Deutschland ja auch für Selbstständige, das ist eine gute Sache. Allerdings muss man sagen, dass Männer es immer noch sehr viel einfacher in dieser Hinsicht haben als die Frauen. Wir finden, dass hier mehr getan werden müsste.
Welche, auch mentale, Hürden mussten Sie möglicherweise überwinden?
Theo Querhammer: Zunächst einmal mussten wir die Hürde überwinden, dass eine neue Werkstatt gefunden werden musste. Hier kommt einiges an Ansprüchen zusammen bezüglich Größe, Sicherheit, Staub- und Lärmentwicklung, aber nach einem halben Jahr haben wir außerhalb Potsdams etwas gefunden.
Generell waren wir schon auch bei Fragen wie Haftung oder Steuern zunächst unsicher. Hier hat uns der Gründungs-Service der FH Potsdam sehr geholfen. Die bieten Seminare an und wir haben deren Rechtsberatung mehrmals in Anspruch genommen. Dann haben wir festgestellt, dass die Angst vor diesen Themen weniger wird, je mehr man sich damit beschäftigt.
Thomas Gdanitz: Wir haben uns dann auch recht schnell ein Steuerbüro gesucht, das uns viel abnimmt. Wobei es gar nicht so viele Steuerberater zu geben scheint, die sich mit dem Thema Restaurierung auskennen. Es kam auch eine Nachfrage des Finanzamtes, das nicht verstanden hat, dass wir als Steinrestauratoren freiberuflich tätig sind. Sie dachten, dass Freiberufler nur Vorträge halten oder beratend arbeiten. Wir haben uns dann an den VDR gewandt und das Statement zur Freiberuflichkeit ans Finanzamt geschickt. Hier kann man gut den Vergleich zur Arbeit des Arztes anbringen. Dessen Vorgehensweise – Anamnese, Diagnose, Therapie – ist ähnlich wie bei uns.
Haben Sie in dem Zusammenhang auch den Rechtsstreit des Steinrestaurators Ilja Streit verfolgt, dessen Freiberuflichkeit bestritten wurde?*
Thomas Gdanitz: Ja, das haben wir mit großer Sorge beobachtet, zumal wir ja auch eine handwerkliche Ausbildung haben. Wir sind sehr erleichtert, dass der Rechtsstreit zu seinen Gunsten ausgegangen ist. Er hat diesen Kampf auch für uns ausfechten müssen und wir wünschen ihm alles Gute. Abgesehen davon halten wir diese Entzweiung von Handwerk und Restaurierung für keine gute Sache. Wir müssten doch alle an einem Strang ziehen!
Wie machen Sie Werbung und Akquise für Ihr Unternehmen?
Thomas Gdanitz: Wir haben wenig Privatleute als Kunden, so dass wir nicht viel machen im Bereich klassische Werbung. Wir haben aber Wert darauf gelegt, ein ansprechendes Logo und eine gute Website zu haben, die wir auch selbst pflegen können. Ersteres findet sich auch auf unseren Visitenkarten, die immer zur Hand sind, Arbeitsgeräten und Werkzeugen sowie ansprechender Arbeitskleidung für uns und freie Mitarbeiter. Unsere Absicht, auch bei Instagram aktiv zu werden, mussten wir allerdings begraben. Uns fehlt einfach die Zeit, um so einen Social Media-Kanal zufriedenstellend bedienen zu können.
Theo Querhammer: Enorm wichtig ist aber vor allem die Vernetzung mit Kollegen, Auftraggebern, Ingenieuren, Statikern, Architekturbüros etc. Schon während des Studiums waren wir in der VDR-Interessengruppe Restauratoren in Ausbildung aktiv und haben dort viele Kontakte geknüpft. Daraus entstehen auch schon mal Anfragen, denn man kennt sich bereits gut.
Wie kann der VDR als Berufsverband junge Gründer:innen unterstützen?
Thomas Gdanitz: Uns haben die VDR-Seminare und der Austausch in den Fachgruppen sehr viel gebracht. Wir waren beispielweise im Existenzgründerseminar, aber auch das Seminar zum Thema Ausschreibungen hat uns viel Sicherheit gegeben. Auch waren wir bei den RiAs, den Restauratoren in Ausbildung, sehr aktiv.
Es gab auch mal eine VDR-Umfrage zum Stundenlohn. Die Ergebnisse waren sehr interessant, vor allem auch, um die Kolleg:innen für das Thema Dumpingpreise zu sensibilisieren. Unsere Arbeit ist einfach nicht für 20 Euro die Stunde zu haben. Das ist Selbstausbeutung und wir dürfen uns nicht gegenseitig unterbieten. Auch die Finanzierung einer Altersvorsorge ist immens wichtig und Altersarmut ist keine Option! Ganz langsam, das ist unser Eindruck, ändert sich diesbezüglich etwas. Das hat vielleicht mit dem Nachwuchsmangel zu tun und dass es weniger Fachfirmen gibt. Dementsprechend steigt die Nachfrage und auch wir haben gut zu tun.
Wie würden Sie Ihren Kolleg:innen Mut zur Gründung machen?
Wir sagen: Vernetzt euch schon während der Hochschul-Phase und setzt euch früh mit dem Thema Selbstständigkeit auseinander. So schlimm, wie es zunächst erscheint, ist es nicht. Ansonsten sollte man eine gewisse Stress-Resilienz, Flexibilität und Anpassungsfähigkeit entweder mitbringen oder trainieren. Bequem ist so eine Selbstständigkeit sicher nicht, aber wir können uns nichts anderes vorstellen.
*Zum Rechtsstreit über die Freiberuflichkeit des Diplom-Restaurators Ilja Streit