Im zweiten Teil unserer Serie über den Umgang mit Kunst aus kolonialem Kontext blicken wir auf eine spannende Veranstaltung zurück, die Ende November 2019 in Berlin stattfand. Dort hatten Katrin Abromeit, Tatjana Held, Maren Mittentzwey und Dr. Wanja Wedekind zum 2. Salon der Restauratoren in die Galerie der Neuen Schule für Fotografie geladen. Das Thema der sehr gut besuchten Veranstaltung hieß „Restaurierung & Restitution“ und weil insgesamt vier Vorträge und ein Video auf dem Programm standen, gab es außer einem Buffet und geistigen Getränken auch genügend Pausen mit der Möglichkeit für fachlichen und privaten Austausch.
Im ersten Vortrag gab Diana Gabler eine Einführung in die Kolonialismus-Debatte und beleuchtete besonders die Rolle der Konservierungs- und Restaurierungswissenschaften. Darüber, dass die Kolonialzeit kein abgeschlossenes Kapitel der Vergangenheit ist sondern bis heute nachwirkt, herrscht längst Einigkeit, kann aber vielleicht nicht oft genug betont werden, so auch von der Rednerin. Das bedeute für die Museen, dass es um mehr gehe, als um die Rückgabe von Sammlungsgut an die Herkunftsländer, sagte Gabler. Hier kämen auch auf die Konservatoren und Restauratoren wichtige Aufgaben zu, denn bis eine Restitution möglich sei, müsse das Kulturgut angemessen aufbewahrt werden. Dafür sei die Zusammenarbeit mit indigenen Bevölkerungsgruppen von großer Bedeutung, zumal die kulturellen Praktiken Auswirkungen auf Lagerung und Restaurierungskonzepte haben könne. Eine neue Museumsethnologie mit dem Ziel der Dekolonisierung könne nur stattfinden, wenn die Belange aller Interessensvertreter einbezogen würden.
Alexander Gatzsche berichtete anschließend vom besonderen Umgang der Republik Zypern mit dem eigenen Kulturgut. Nach der Unabhängigkeit von der britischen Krone 1960 und der türkischen Besetzung des Nordteils der Insel seit 1974 sind viele Kirchen, antike Stätten und Sammlungen zerstört, geplündert und ins Ausland verkauft worden. Zypern versucht seither das verschleppte kulturelle Erbe zurückzuholen, vertritt aber auch alternative Herangehensweisen. So wurden Sammlungen auf der Insel, die etwa in Folge der Invasion entstanden waren, registriert und damit quasi legalisiert – die Stücke konnten so immerhin auf der Insel bleiben. In anderen Fällen wurden ausländische Museen und Sammlungen, in die antikes zypriotisches Kulturgut verbracht worden war, von zypriotischen Institutionen unterstützt, auch finanziell. Damit entstand eine Mitsprache in Präsentation und Deutung der Objekte, die fortan als Botschafter der zypriotischen Kultur im Ausland gesehen werden konnten.
Im nächsten Vortrag des Abends erinnerte Sophie Haake-Harig dafür, dass in der Debatte um Restitution ein Perspektivwechsel aufschlussreich sein kann. Ihrer Meinung nach würden Täter und Opfer oft zu einfach und schnell ausgemacht. Ein Beispiel dafür sei The Cloisters, eine Zweigstelle des Metropolitan Museum of Art in New York. Diese „Kreuzgänge“ wurden errichtet, indem Architekturfragmente meist französischer Klöster vom Bildhauer und Kunstsammler George Grey Barnard (1863-1938) zusammengetragen worden war. Er hatte in Europa ganze Kreuzgänge, Taufbecken und Kruzifixe gekauft und nach New York gebracht. Heutige Besucher aus Europa reagierten meist befremdet auf diese Sammlung, berichtet Sophie Haake-Harig und erläuterte, wie die Wertschätzung der Kunstwerke zum Zeitpunkt ihres Erwerbs im Vergleich zu heute eine völlig andere war.
Beim letzten Vortrag des Berliner Salons ging es um eine der ältesten Debatten zur Restitution von Kulturgut: dem figürlichen Marmorschmuck vom Parthenontempel auf der Akropolis in Athen. Lea Puglisi und Wanja Wedekind erläuterten den aktuellen Stand der Frage um die Rückgabe des Tempelfrieses, der bekanntlich 1801 aus seinem Originalzusammenhang herausgebrochen und ins British Museum nach London gebracht wurde. Um der Forderung Griechenlands nach Rückgabe des Frieses zu entgehen wurden lange Zeit „konservatorische Gründe“ angeführt. Das kann jedoch schon längere Zeit nicht mehr gelten – wenn es denn je gegolten hat – da seit 2009 im neu eröffneten Akropolismuseum in Athen sieben Halterungen bereitstehen, um die originalen Parthenon-Marmore in musealer Umgebung aufzunehmen. Puglisi und Wedekind widmeten sich auch der Frage, ob die Marmore nicht sogar in ihre authentische Umgebung zurückgebracht werden könnten und welche Möglichkeiten der digitalen Rekonstruktion heute zur Verfügung stehen, um den verlorenen Sinnzusammenhang wieder erfahrbar zu machen.
Zum Ende dieser aufschlussreichen Vortragsreihe bekamen die Salongäste die Möglichkeit, das Video „The Throne“ (2019) von Antje Majewski zu sehen. Die Künstlerin hatte für den Film in Kamerun mit Anthropologen, Museumsdirektoren und Künstlern über den Thron des Sultans Ibrahim Njoya gesprochen. Der Thron war während der deutschen Kolonialzeit fortgegeben worden und befindet sich jetzt als Teil der Stiftung Preußischer Kulturbesitz in den Staatlichen Museen zu Berlin.
Den Film „Le Thrône“ kann man sich auf der Website der Künstlerin anschauen (43 Min., französisch mit englischen Untertiteln).
Wir danken Wanja Wedekind für die Gastfreundschaft im Salon und die Erlaubnis die Fotos hier verwenden zu dürfen. Eine Kurzfassung aller Vorträge des Abends können im Blog www.wanjawedekind.de nachgelesen werden.
Zum ersten Teil der Serie über den Umgang mit Kunst aus kolonialem Kontext „Das Wissen der Anderen“.
Text: Gudrun von Schoenebeck/Online-Redaktion VDR