Lesestoff: Misslungene Restaurierungen und andere kuriose Kunstunfälle

Mit (un)schöner Regelmäßigkeit tauchen sie in den Nachrichten auf: die Fälle, in denen eine völlig fehlgeleitete „Restaurierung“ ein Kunstwerk derart verschlimmbessert hat, dass man heulen möchte. Das bisher jüngste Beispiel spielt im nordspanischen Städtchen Soria in der dortigen Kirche der Eremitage Nuestra Señora del Mirón. Die vorher weißen Zierelemente des barocken Mittelschiffs waren rot übermalt worden und die ebenfalls weißen Gips-Putten hatten nach dem Eingriff grob gemalte Gesichtszüge mit roten Lippen erhalten.

Örtliche Denkmalschützer veröffentlichten empört Vorher-Nachher-Bilder auf der Online-Plattform X und auch Francisco Manuel Espejo, der Präsident von ACRE, der Vereinigung der Konservatoren und Restauratoren Spaniens, äußerte sich zu diesem Fall. „Das war keine misslungene Restaurierung“, sagte er gegenüber dem Guardian. „Eine Restaurierung – erfolgreich oder nicht – wird ausgeführt von einem qualifizierten Restaurator.“ Das sei hier jedoch nicht der Fall gewesen, es handele sich vielmehr um „einen Angriff auf das Kulturerbe“.

Cora Wucherer, Das war Kunst, jetzt ist es weg. Dumont Verlag, 2024, Hardcover, 50 farbige Abbildungen, 18 Euro

In dem Buch von Cora Wucherer „Das war Kunst, jetzt ist es weg“ ist dieser aktuelle spanische „Angriff auf das Kulturerbe“ noch nicht erwähnt, würde aber bei einer Neuauflage gut hineinpassen. Die Journalistin hat die unterschiedlichsten Fälle von „misslungenen Restaurierungen und andere kuriose Kunstunfälle“ recherchiert und daraus kurzweiligen Lesestoff gemacht. (Dass man in solchen Fällen eigentlich nicht von einer „Restaurierung“ sprechen darf, wird außerhalb der Restaurator:innenwelt leider nicht wahrgenommen.)

Gleich im ersten Kapitel „Gut gemeint ist noch lange nicht gut gemacht“ tauchen fünf Verschlimmbesserungen aus Spanien auf, die weltweit bekannt geworden sind. Vom verschandelten Fresko „Ecce Homo“ über die bunt bemalte Figurengruppe der Hl. Anna mit Maria und Jesuskind bis zum „Kartoffelkopf von Palencia“ scheint Spanien besonders für übermotivierte und eigenmächtige Eingriffe anfällig zu sein, häufig gepaart mit naivem Unrechtsbewusstsein. (So hatte übrigens auch im eingangs erwähnten Fall die zuständige Diözese erklärt, die ausgeführten Bemalungen in der Kirche seien „Geschmacksache“.) Möglicherweise, spekuliert auch Cora Wucherer, liege es daran, dass Spanien sowohl über ein umfangreiches kulturelles Erbe als auch über motivierte Selfmade-Restauratoren verfüge.

Auch die weiteren Kapitel über Schadensfälle in der Kunstgeschichte strapazieren Restaurator:innen-Nerven. Hier geht es um Museumsbesucher oder gar Aufseher, die Kunstwerke „vervollständigen“, um Putzpersonal, das moderne Kunst aufräumt, um zerschollene chinesische Vasen und abgebrochene Pharao-Bärte und natürlich darf auch die vom Hausmeister entfernte Fettecke von Beuys nicht fehlen. Oft genug sind es dann Restaurator:innen, die solche Resultate von Dummheit oder Missgeschick wieder unsichtbar machen sollen – und dabei nicht immer die nötigen credits erhalten. Letztlich ist Cora Wucherers Buch, dem man mehr Tiefgang bei den Fallbeschreibungen gewünscht hätte, immerhin ein Plädoyer für Restaurierungen von dafür ausgebildeten Fachleuten.

von Gudrun von Schoenebeck, VDR-Online-Redaktion

1 Comments

  1. Veröffentlich von Gudrun von Schoenebeck am 10. September 2024 um 11:20

    Zu diesem Beitrag hat die Redaktion am 09.09.2024 ein langer Leserbrief erreicht, den wir hier als PDF-Datei veröffentlichen. Paul-Bernhard Eipper fand die Buchbesprechung viel zu positiv, so dass er eine eigene Rezension verfasst hat.
    https://blog.restauratoren.de/wp-content/uploads/2024/09/Leserbrief_Eipper_Wucherer.pdf

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