Wie hat sich das Restaurierungsstudium an der HfBK Dresden binnen 50 Jahren gewandelt? Das wollten wir anlässlich des diesjährigen Jubiläums wissen. Studierende aus fünf Jahrzehnten blicken zurück auf das Erlebte. Jonas Roters, Diplom-Restaurator für Wandmalerei und Architekturfarbigkeit, berichtet wie das Miteinander an der Hochschule seinen Alltag positiv prägte.
– Interview über das Restaurierungsstudium in Dresden in den 2010er Jahren –
VDR: Wie entstand Ihr Wunsch Restaurator zu werden?
Jonas Roters: Im Rahmen eines Ferienprogrammes habe ich als Jugendlicher eine prägende Kirchenführung erlebt. Dabei teilte eine Ordensschwester mit leuchtenden Augen ihre Begeisterung für die damals gerade vollendete Konservierung und Restaurierung. Sie berichtete uns von vielen Details der Maltechnik und der Ausführungen durch Diplom-Restaurator:innen.
Und schon damals dachte ich mir: „Wow, diese Arbeit als Restaurator führt dich an ganz besondere Orte und lässt dich Geheimnisse entdecken, die die Menschheit faszinieren.“
Wenn ich heute an die Kirchenführung denke, muss ich schmunzeln: Diese Ordensschwester wusste so viel, sie war bestimmt andauernd bei den Ausführenden und hat Fragen gestellt. Das könnte bisweilen anstrengend für das Team der Restaurator:innen gewesen sein. Für mich war es ein großes Glück. Vermittlungsarbeit lohnt sich immer!
Von wann bis wann haben Sie in Dresden studiert?
Ich habe mein Studium im Oktober 2007 begonnen. Mit einer Unterbrechung von einem Jahr nach dem Grundstudium für Praktika in Rom und in der Toskana habe ich dann bis zum Herbst 2013 an der HfBK Dresden studiert.
Bei welchen Professor:innen? Und in welcher Fachrichtung?
Im Zuge der Eignungsprüfung durfte ich noch Professor Heinz Leitner kurz kennenlernen. Die Trauer über dessen Tod war zu meinem Studienbeginn ein prägendes Moment. Als unser Jahrgang startete, hatte Professor Dr. Arnulf Dähne frisch die fachliche Interimsleitung der Fachklasse Kunsttechnologie, Konservierung und Restaurierung von Wandmalerei und Architekturfarbigkeit übernommen. Wir Studierende des Grundstudiums wurden in den Grundlagen von allen Professores unterrichtet: Professorin Dr. Ursula Haller, Professor Dr. Christoph Herm und Professor Dr. Ulrich Schießl, sowie von Professor Ivo Mohrmann, der die Leitung des Grundstudiums innehatte. Für die Vorlesungen zur Technologie und Konservierung von historischer Wandmalerei und Architekturfarbigkeit hatte sich der emeritierte Professor Roland Möller bereiterklärt.
Im zweiten Jahr meines Studiums wurde dann Professor Dr. Thomas Danzl als Professor für Konservierung und Restaurierung von Wandmalerei und Architekturfarbigkeit berufen. Diese Übergangsphase und der „Neustart“ gelang dem damaligen Kollegium aus meiner Sicht mit Bravour.
Nach dem Jahr in Italien begann ich dann mein Hauptstudium in der „Wand-Fachklasse“, für mich eine wunderbare Zeit, die mich als Mensch und Professionist geprägt hat. Das Verständnis von Lehre ging über die Vermittlung fachlicher Kompetenz hinaus. Ich genoss das allseitige, persönliche Wohlwollen untereinander, das uns ein Hochschulleben und Lernen zwischen kritischer Reflektion und ehrlicher Zukunftsfreude ermöglichte.
In welchem Gebäude waren Sie untergebracht?
Unser Grundstudium war noch stark geprägt von der Extravaganz des heute zerstörten Robotron-Gebäudes. Als ich vor einigen Jahren die Lücke sah, die der Abriss des Rechenzentrums und des Atriums I hinterlassen hat, war das ein seltsam-mulmiges Gefühl: Irgendwie war dieser Gebäudekomplex mit den niedrigen Büroräumen und dem Kantinenmief, der in die letzten Ecken drang, ein wichtiger Ort für mich.
In den Treppenhäusern wurde kräftig geraucht, es war oft eng, im Sommer stickig – im Winter auch. Ob Maltechnische Grundlagen bei Gunter Jacob oder Unterricht in analoger Fotografie bei Asmus Steuerlein, ob Vorlesungen zur Architekturlehre bei Professor Olaf Lauströer mit ca. 100 Studierenden aller Studiengänge in einem ehemaligen Großraumbüro oder Kurse im Interims-Labor bei Annegret Fuhrmann und Dr. Sylvia Wieland – dass das möglich war, gleicht einem Zauberkunststück.
Und dann das Paradies: Einzug in die fertig-sanierte „Güntz 34“, wo die „Wand-Fachklasse“ schon längere Zeit ihre großzügigen Räumlichkeiten nutzte und uns Elke Schirmer für den maltechnischen Praxisunterricht im Grundstudium empfing. Das wurde und ist m. E. Hochschuleinrichtung auf Weltniveau.
Die Akademisierung der Restaurierung war längst abgeschlossen und die Begeisterung darüber manifestierte sich in den luxuriösen Ateliers, Vorlesungssälen und Laborräumen, die keine Wünsche offenlassen dürften.
Gab es während Ihrer Studienzeit in Dresden Ereignisse, die zwar nichts mit Restaurierung zu tun haben, Ihnen aber gut im Gedächtnis geblieben sind?
Ich möchte hier ehrlich sein. Als „nicht gut“ ist mir insbesondere eine Zeitphase im Gedächtnis geblieben: Es ist für mich bis heute ein absoluter Graus, wenn ich an die Pegida-Bewegung denke, die im Herzen von Elbflorenz ihren Ursprung nahm und wuchs und wuchs. Wir gingen monatelang auf die Gegendemonstrationen, hörten die eindeutigen Parolen aus den Lautsprechern über die Barrikaden hinweg und dann für zu lange Zeit in den Nachrichteninterviews: Das sind im Gros besorgte Normalbürger – die haben Angst um ihren Zweitwagen in der Garage.
Doch bin ich letzten Endes mit „zwei weinenden Augen“ von Dresden weggezogen, denn es gab und gibt so vieles, das neben dem menschlichen Miteinander an der HfBK meinen Alltag positiv prägte: Als Alternative zum kommerzialisierten Quartierfest „Bunte Republik Neustadt“ wurde das Talstraßenfest oder das Martin-Luther-Platzfest von den Anwohnenden organisiert und auch die „SchaubudenSommer“ des Kulturhauses „scheune“ oder Veranstaltungen im Festspielhaus Hellerau waren magisch.
Ihr persönlicher Lieblingsort in Dresden?
Ich habe es erst in den letzten Sommern in Dresden entdeckt – wahrscheinlich, weil ich eher in Richtung der einmaligen Landschaft der Sächsischen Schweiz unterwegs war: Ein absolut verwunschener Ort und eine Oase an heißen Tagen ist für mich das 2015 wiedereröffnete Naturbad im Zschonergrund. An goldenen Herbsttagen saß ich gerne bei Wein und Flammkuchen in der Straußwirtschaft im Weinberg am Schloss Albrechtsberg.
Wie war der Austausch national und international?
Dass zum Erreichen fachlicher Kompetenz unbedingt der Dialog über Grenzen jedweder Art hinweg gehören muss, diese Auffassung wurde auf dem Berufsfeld der Akademischen Konservierung-Restaurierung ja schon seit Frühzeiten mit Erfolg gelebt. Im Einklang mit dieser Tradition durften wir davon profitieren, dass ein wesentlicher Fokus der Lehre im vergleichenden Lernen lag.
Der Austausch mit Schwesterschulen im Zuge gemeinsamer Praxisprojekte im In- und Ausland, die legendären Studienfahrten und die unbedingte Förderung von Auslandsemestern bildeten in uns ein Verständnis für die wichtige berufliche Vernetzung und ließen uns unmittelbar erfahren, wie vielfältig und fantastisch die Welt der Restaurierung ist.
Haben Sie weiterhin Kontakt zu Kommiliton:innen, Dozent:innen oder der Hochschule?
In der Tat trifft sich unser Fachklassenjahrgang einmal jährlich. Wir mieten eine Unterkunft mit den mittlerweile gewachsenen Familien. Als enger Freundeskreis stehen wir im häufigen Kontakt, wissen ziemlich genau, was uns jeweils bewegt. Diese Verbindung hilft mir immer wieder bei kleinen und großen Herausforderungen, beruflich wie persönlich. Außerdem hat eine größere Gruppe von Alumnae und Alumni zur Feier des runden Jubeltages Herrn Professor Danzls eine Studienfahrt nach München organisiert, wo dieser lehrt und uns zwei Tage nach altbewährter Sitte zu besonderen Orten führte. Ich freue mich immer sehr, wenn ich Lehrende, Absolvent:innen und Studierende der HfBK auf Tagungen oder bei Projekten begegne.
Zum Glück ist die großartige Restaurator:innen-Welt letzten Endes klein.
Was wünschen Sie dem Studiengang in Dresden zum 50. Jubiläum?
„Quo Vadis Restaurierung?“ fragte der VDR im Zuge der Jubiläumsveranstaltung seines zehnjährigen Bestehens im Jahr 2011. Eine Dekade später rief der Verband zur Debatte „Restaurierung – ein Studium mit Zukunft?!“ auf. Schon in den ersten Jahren meines Studiums schwang die Phrase „Die Fetten Jahre sind vorbei.“ leise zwischen manchen Zeilen. Ich habe mich immer gewehrt, lähmendem Trübsinn zu erliegen.
Wir wissen, dass unsere Profession wesentliche Beiträge zum Hier und Jetzt und zur Fortentwicklung der Gesellschaft liefert. Gerade in Zeiten immenser Umbrüche mit allgegenwärtigen Herausforderungen geben Kultur und ihre Erzeugnisse nicht nur Halt. Das Befragen und Vermitteln der Vergangenheit zeigt auf, dass mitmenschliches Handeln der Weg zu einer gesunden Zukunft ist. Dass die vergleichsweise junge Akademische Konservierung-Restaurierung im letzten Jahrhundert höchste Standards erarbeitet hat, lässt sie in meinen Augen als wissenschaftliche „Überfliegerin“ im positivsten Sinne erscheinen. Auch bei Gegenwind bleibt der Kurs der richtige. Und in den Hochschulen bilden wir die nachhaltige Basis dafür: weitgreifende Fachkompetenz, Offenheit, Verantwortungsgefühl und Qualitätsbewusstsein.
Der Studiengang Kunsttechnologie, Konservierung und Restaurierung von Kunst- und Kulturgut an der Hochschule für Bildende Künste Dresden darf in diesem Sinne mit Stolz zurückblicken. Aus der Wertschätzung am Getanen und dem fachlichen Vermögen heraus wird das Wirken bei inneren und äußeren Entwicklungen dazu führen, dass zukünftig das Verständnis für die allerhöchste Relevanz der Disziplin sowie die Faszination und Begeisterung für diesen erfüllenden Beruf weiterwachsen.
Die Fotos stammen, wenn nicht anders angegeben, vom Autor.
Die Fragen stellten für den VDR Patricia Brozio und Mirjana Preibusch.
Zur Person Jonas Roters:
Akademischer Grad:
Diplomrestaurator
Fachrichtung:
Wandmalerei & Architekturfarbigkeit sowie Putz & Stuck
Berufliche Stationen:
2006 und 2007
Studienvorbereitendes Praktikum im Bereich der praktischen Baudenkmalpflege bei Dipl.-Rest. Peter Schöne in Halle/Saale.
2007
Studienvorbereitendes Praktikum in Israel: Restaurierung der Himmelfahrtskirche im Mount of Olives Convent, Jerusalem.
2007 bis 2013
Studium an der Hochschule für Bildende Künste Dresden; Fachbereich: Kunsttechnologie, Konservierung und Restaurierung von Wandmalerei und Architekturfarbigkeit unter Prof. Dr. phil. Dott. Thomas Danzl.
2009 und 2010
Studienaufenthalt in Rom und Pisa / Italien: Praktikum bei Carlo Giantomassi und Donatella Zari und der Opera della Primaziale Pisana am Camposanto Monumentale in Pisa.
2014 bis 2018
Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der HfBK Dresden im Studiengang Kunsttechnologie, Konservierung und Restaurierung, Fachbereich Wandmalerei und Architekturfarbigkeit.
seit 2019
Dozent und Co-Leitung der Studienvertiefung Konservierung und Restaurierung von Architektur und Ausstattung an der Hochschule der Künste Bern HKB, Schweiz.
In der Serie 50 Jahre Restaurierungsstudium – Fragen an Alumni aus 5 Jahrzehnten sind außerdem erschienen:
Marlies Giebe über Anfangsjahre an der HfBK Dresden
Annett Xenia Schulz über das zweite Jahrzehnt des Restaurierungsstudiums in Dresden
Daniela Arnold: So war mein Studium in den 1990ern
Annemarie Huhn über das Studium in den 2000ern