Im Volksmund, der für öffentliche Bauwerke oft wenig schmeichelhafte Spitznamen erfindet, wurde das riesige Wandbild „Geisterbahn“ genannt. Zwischen 1975-1976 war das Kunstwerk von Karl-Heinz Adler und Friedrich Kracht am Neuen Rathaus Plauen erschaffen worden und ist bis heute ein seltenes Beispiel abstrakter baubezogener Kunst im öffentlichen Raum der DDR. In seiner Entstehungszeit war das farbintensive Wandbild durchaus umstritten und wurde schon 1987 mit Sandsteinplatten verkleidet.
In den kommendenJahrzehnten geriet das Kunstwerk in Vergessenheit, bis 2017, als das Rathaus saniert werden sollte. Einzelflächen wurden freigelegt und ein individuelles Restaurierungskonzept erarbeitet. 2019 entschlossen sich die Stadt Plauen und die Wüstenrot Stiftung, die die Finanzierung (165.000 Euro) übernahm, zu einer vollständigen denkmalgerechten Freilegung und Restaurierung des Wandbildes. Von 2019 bis 2024 übernahm Restaurator Martin Fliedner die Arbeiten, in deren Verlauf noch weitere zum Werk gehörige Flächen im Innenbereich des Foyers entdeckt und in die Restaurierung einbezogen wurden. Seit Anfang Juni 2024 ist das 250 Quadratmeter große Kunstwerk im neu gestalteten Eingangsbereich des Rathauses in Plauen wieder für die Öffentlichkeit zu sehen.
Der Rathausneubau von 1976 mit „Kunst am Bau“
In den 1970er Jahren wurde das im Zweiten Weltkrieg schwer beschädigte Plauener Rathaus zum großen Teil als modernes Stahlskelettbauwerk über mehrere Geschosse neu gebaut. Für die Wandflächen im Eingangsbereich wurden die beiden Künstler Karl-Heinz Adler und Friedrich Kracht beauftragt, ein Wandbild zu entwerfen. Die Dresdner Künstler entschieden sich bei der Ausführung für ein Gemisch aus Granulat und Sichtbetonkleber in abstrakt-geometrischer Formensprache. Unterschiedliche Körnung und Struktur des verwendeten Materials und die Farbenvielfalt gaben dem Kunstwerk Plastizität und Strahlkraft.
Das von Adler und Kracht im Auftrag der Bauindustrie entwickelte pneumatische Beschich-tungsverfahren mit einem speziellen Klebstoff stellte eine Innovation in der künstlerischen Wandgestaltung von Betonoberflächen in der Nachkriegsmoderne dar. Bereits seit 1962 erprobten die beiden Künstler ein „Verfahren zur industriellen Herstellung von farbstarkem, witterungs- und lichtbeständigem keramischem Granulat oder aus Natursteinsplitt oder Glassplitt bestehendem Beschichtungsmaterial auf Oberflächen von Beton, Plast oder Glas“.
Am Neuen Rathaus Plauen hielt die Oberflächenfestigkeit der Beanspruchung nicht vollständig stand. Wohl deshalb blieb die Wandgestaltung nur bis 1987 sichtbar. Die eigentlichen Gründe, die zu ihrer vollständigen Verkleidung mit Sandsteinplatten führten, liegen weitestgehend im Dunkeln, und das Vorhandensein der Wandgestaltung geriet im Laufe der Jahrzehnte in Vergessenheit. Nach über 40 Jahren zeigten sich an der Glasfassade deutliche Schadensbilder und 2014 beschloss der Stadtrat, eine Untersuchung zur Sanierung des Bauwerks in Auftrag zu geben. Der Erhaltungszustand der Wandgestaltung von Adler und Kracht waren bis dahin unbekannt. 2018/19 wurde eine Untersuchungskampagne gestartet, bei der sich zeigte, dass das Wandbild – zwar verschmutzt durch Kalkauflagerungen und stark beeinflusst durch viele Ankerlöcher, die die Sandsteinplatten hielten – in erstaunlich gutem Zustand war.
Konzept und Beginn der Restaurierung
Es wurde eine Musterfläche gewählt, die den Zustand nach abgeschlossener Restaurierung zeigen sollte. Klar war, dass eine Reinigung zwingend notwendig war. Der eingebrachte Vergussmörtel hatte großflächige Kalkschleier auf der rauen Oberfläche hinterlassen. Zur Entfernung der groben Verschmutzung wurde eine Testreihe mittels Partikelstrahlverfahren angelegt. Diverse Strahlmittel und Arbeitsdrücke wurden evaluiert und am Ende stand die bestmögliche Reinigungsmethode fest. Sie erfüllte die Bedingung eines schonenden Umgangs mit der Oberfläche des Wandbildes bei gleichzeitig zufriedenstellendem Reinigungsergebnis.
Nachdem sich der Plauener Stadtrat 2019 endgültig für die Erhaltung der Wandgestaltung ausgesprochen und die Wüstenrot Stiftung die Finanzierung übernommen hatte, begann die Sanierung 2020. Die 175 Quadratmeter große Sandsteinverblendung wurde abgenommen und die gesamte Fläche wie die Musterfläche gereinigt. Dafür wurden ca. 12 Tonnen Hinterfüllmörtel von der Oberfläche abgetragen.
Die durch ihre regelmäßige Anordnung und den einhergehenden Oberflächenverlust stark störenden 855 Ankerlöcher wurden mit einem Kalkmörtel geschlossen. Hierbei wurde bewusst ein materialfremder Mörtel eingesetzt. Zum einen ließen sich die exakten Rezepturen der Wandgestaltung nicht mehr nachstellen. Die ursprüngliche Applikation mittels Druckluft hätte zudem einen extrem hohen Nachbearbeitungsaufwand bedeutet. Zum anderen ist es ein Grundsatz in der Restaurierung, die vom Restaurator eingebrachten Materialien als neuere Zugabe erkennbar zu machen. Bei genauer Betrachtung der Oberfläche ist dies auch nach vollendeter Restaurierung möglich.
Neben dem Verschluss der Ankerlöcher und der Bearbeitung aller Bereiche, in denen die Oberfläche verloren ging, mussten einige Risse, vor allem im Bereich der Eckgestaltungen geschlossen werden. Einige Hohlstellen wurden mit Kalkmörtel hinterfüllt. Hierzu wurden Injektionsschläuche eingesetzt, über die dann der dünnflüssige Mörtel eingebracht werden konnte.
Retusche und Abschluss der Restaurierung bis 2024
Nach Abschluss der konservierenden Leistungen konnte mit der Retusche als sicherlich aufwändigstem Arbeitsschritt begonnen werden. Die sehr raue Oberfläche des Kunstwerks sowie die besondere Lichtsituation, die durch einen starken Einfall von direktem Tageslicht und leichtem Streiflicht durch die Deckenbeleuchtung geprägt ist, bildeten eine enorme Herausforderung an die Retusche. Aufgrund der Verglasung und der daraus resultierenden Spiegelung war es kaum möglich, das Kunstwerk auf Distanz zu sehen.
Durch die erzielte Beruhigung der Farbigkeit kann der Betrachter den Eindruck eines geschlossenen Kunstwerks und das zugrundeliegende Konzept erfahren. So wurden auch großflächige Verluste im Randbereich auf der linken Seitenfläche der Wandgestaltung vollständig rekonstruiert. Die geometrische Form und durch Wiederholung geprägte Gestaltung ließen dies zu. Nachdem auch der ursprüngliche Sockelstreifen ergänzt wurde, war die Restaurierung der Wandgestaltung im April 2024 beendet. Eingriffe der aktuellen Restaurierungskampagne bleiben immer ablesbar.
Der (gekürzte, Anm.d.Red.) Text beruht auf einer Wanderausstellung der Stadt Plauen und der Wüstenrot Stiftung zur Wandgestaltung von Adler und Kracht am Neuen Rathause Plauen aus dem Jahr 2021 und wurde durch Angaben zum Zeitraum 2022-2024 aktualisiert. Autor: Dipl.-Rest. (FH) Martin Fliedner
Das Programm „Baubezogene Kunst der DDR“ der Wüstenrot Stiftung
Die Wüstenrot Stiftung kümmert sich um wertvolle Baudenkmale, setzt sie instand und erforscht bauzeitliche Materialien, Konstruktionen, Konservierungs- und Restaurierungsmöglichkeiten. Unterstützt von einem wissenschaftlichen Beirat gibt die Wüstenrot Stiftung nicht nur Geld, sondern agiert auch als verantwortliche Projektträgerin und Bauherrin. Zum kulturellen Erbe in Deutschland zählt auch das kulturelle Erbe der DDR, zu der eine große Anzahl an Kunstwerken im öffentlichen Raum gehört. Etliche dieser Arbeiten wurden zerstört, überformt, werden vernachlässigt, verfallen und leiden noch immer unter fehlender Wertschätzung. Die Wüstenrot Stiftung hat deshalb 2019 des Programm „Baubezogene Kunst in der DDR“ ins Leben gerufen.