Der Ruf der in Deutschland ausgebildeten Restauratoren und ihrer Qualifikation scheint uns vorauszueilen. Diesen Eindruck machten jedenfalls einige kleine Tip-of-the-Iceberg-Besuche und -Anfragen auf mich. Es ist wahr: Wir sind gefragt! Und es ist wahr, dass ich mich über Interessenten an dem Komplex Internationalisierung enorm freuen würde. Ich glaube, dass solche Vorhaben auch dem kollektiven Selbstbewusstsein der Restauratoren enorm zuträglich sind. Das mit viel Aufwand organisierte Vorhaben der Restaurierung der Chorgestühle aus rumänischen Kirchenburgen begegnet mir immer wieder in Gesprächen, an Hochschulen und in meiner Arbeit und schlägt seine Wellen bis mindestens 2020. Im Februar wollen wir eine Veranstaltung zu Kirchenburgen an der rumänischen Botschaft nutzen, um die Publikation zu dem Projekt vorzustellen.
Workshops in Kasachstan
Aber zurück zum Anfang. Den machte bereits im Februar ein Anruf aus der Kulturabteilung des Goethe-Instituts. Ob wir uns vorstellen könnten, in Kasachstan über die kommenden 2-3 Jahre Seminare/Workshops/Master classes/Vorlesungen für zwei Zielgruppen anzubieten: Einerseits ginge es dabei um Museumspersonal des Nationalmuseums, zweitens aber auch um Studierende der Kunstakademie vor Ort. Das Goethe-Institut arbeite mit beiden Institutionen als Partner zusammen. Alle Kosten und Honorare würden vom Goethe-Institut aufgebracht. Um das Ganze gut vorbereiten und fachlich einschätzen zu können, haben wir eine Vorfeldreise organisiert, die das Auswärtige Amt finanzierte. Als äußerst kompetente Expertin aus dem Museumsbereich konnten wir Anne Harmssen gewinnen. Eine erste Reise zur Feldbestimmung und Kontaktaufnahme hat dann im April stattgefunden.
Projekte in Ghana
Ein paar Wochen später erreichte mich eine E-Mail aus den Niederlanden. Ob der VDR eventuell Interesse hätte, Projektpartner einer „Christian Science University“ in Ghana zu werden. Im Rahmen des Programms von Europäischer und Afrikanischer Union „CHASER“ möchte der Projektmanager gern ein Projekt einreichen. „CHASER“ soll die Chancen für Jugendliche in vom Klimawandel betroffenen Regionen verbessern. Ein solch breiter Titel erlaubt dann auch Projektideen, die vom traditionellen Ringen in Ghana bis hin zur Frage des Erhalts von Kolonialforts in Westafrika reichen.
Konkret war die Idee, in einer Art studentischem Austausch die Konservierung des ehemals brandenburgischen Forts Fredericksburg anzugehen. Tatsächlich fiel mir wenig später ein Beitrag im Weltspiegel auf, in dem ein sich verstärkender Trend beobachtet wurde. Die amerikanischen Nachfahren von geraubten und versklavten Afrikanern reisen zunehmend nach Westafrika, um selbst den Weg zu erlaufen, den ihre Vorfahren gegangen sind. Dieser Blickwinkel war mir näher als die Idee, dass das Ziel des Projektes die „Re“konstruktion einer gemeinsamen Vergangenheit von Tätern und Misshandelten, von Sklaven und Versklavten sein könne. Die christliche Universität hat das Projekt mittlerweile eingereicht. Wir als VDR sind noch im Prozess der Akkreditierung bei der EU-Förderplattform PADOC. Sich hier Gehör zu verschaffen, ist auch ein Schritt in Richtung mehr Anerkennung des Verbandes und der Profession auf nationaler und europäischer Ebene. Spannend ist das Projekt sicher auch im Rahmen der laufenden Debatte um Provenienz und Restitution von Raub- und Kolonialkunst, die z.B. im November in Berlin als Veranstaltung der Reihe „Salon der Restauratoren“ Niederschlag fand.
Delegation aus Usbekistan
Im Oktober nun bekam der VDR eine E-Mail vom in Berlin residierenden usbekischen Botschaftsrat. Man habe eine Anfrage vom Kulturministerium erhalten. Ob wir bei der Betreuung einer Delegation aus vier Fachleuten (nur einer davon war Fachleut der Restaurierung) behilflich sein könnten, die in einigen Wochen nach Deutschland käme. Glücklicherweise waren wir dazu in der Lage. Dieses kleine Vorhaben hat als ein erwähnenswerter Kollateralnutzen auch zu einer Zusammenarbeit des VDR mit dem Museum für Ur- und Frühgeschichte in Gestaltung der Reise geführt, wobei letzteres den Bärenanteil der Organisation trug. Zufällig stieß die Delegation vor allem bei der Fachhochschule Potsdam auf großes Interesse, die gerade selbst mit einer Delegation in Taschkent war, um eine Ausbildungskooperation anzustoßen.
Es ist uns gelungen, den jungen usbekischen Delegierten nicht nur einen tiefen Einblick in die Kulturlandschaft Berlins und Potsdams zu geben, sondern sie davon zu überzeugen, dass bei der sehr ambitionierten Planung von Bau und Eröffnung des zentralen Restaurierungszentrums in Usbekistan vorher und im Prozess kompetentes restauratorisches Fachwissen benötigt wird, und dass das gut ausgebildete Personal noch einmal weitaus bedeutender für gelungene Konservierungsvorhaben ist, als der Besitz der neuesten Gerätschaften – und dass eine auf Nachhaltigkeit angelegte Ausbildungskooperation der bevorzugte Weg wäre, und keine Druckbetankungen durch je drei- bis viermonatige Ausbildungsaufenthalte in Deutschland. Ich jedenfalls kam nicht nur in den Genuss, mein Sichtfeld erheblich zu erweitern (ich habe gelernt, dass es eine Sprache des Usbekischen gibt, die u.a. arabische Vokabeln mit lateinischen Buchstaben einfließen lässt – aber dass dennoch sehr verbreitet immer noch das Russische als Verkehrssprache vorherrscht – und ich habe atemberaubende Fotos aus Usbekistan gesehen), sondern hoffe auch, dass der VDR hier einen Unterschied in der Sichtweise einer Administration auf die wissenschaftliche Restaurierung machen konnte. Ich hoffe sehr, in naher Zukunft wieder Nachrichten aus Usbekistan zu erhalten.
Experten in Äthiopien
Während ich dann also am Mittwoch vergangener Woche um 10 Uhr auf der Abschlussveranstaltung mit den Kollegen aus dem Museum für Ur- und Frühgeschichte und der usbekischen Delegation war, klingelte mein Telefon und eine voluminöse Charakterstimme eines älteren Herren, die mir aus einem vorherigen Telefonat zwischen Tür und Angel bekannt war, behauptete, einen Termin in meinem Büro zu haben. Ich hatte versucht, diese Verabredung zu verschieben, aber ohrenscheinlich ohne Erfolg. Also schwang ich mich aufs Rad und hatte die Gelegenheit, vor meinem Büro auf eine Gold- und Silberschmiedemeisterin und einen freundlichen Herrn aus Äthiopien zu treffen. Die Goldschmiedin ist über die Netzwerke des „Senior Experten Service – SES“ seit zehn Jahren mit der Ausbildung junger Goldschmiede in Äthiopien aktiv – als einzige Ausbilderin im ganzen Land. Der SES gibt Fachleuten nach ihrer aktiven beruflichen Karriere – und über das neue Programm 30+ auch jüngeren Kolleginnen und Kollegen – die Möglichkeit, ihr Wissen international zu vermitteln und so ihre Ressourcen weiterhin zu nutzen und mit dem Beruf in der Öffentlichkeit zu bleiben. Die Kollegin würde sehr gern wenigstens einigen ihrer zehn Absolventen auch die Gelegenheit bieten, sich im Feld der Restaurierung weiterzubilden.
Herr M. aus Äthiopien wiederum hat in Deutschland Volkswirtschaft studiert und ist aktuell befasst mit der Dokumentation von verschiedenen Schätzen und Bronzen und vor allem von Felsenkirchen in der Umgebung von Addis Abeba. Wer möchte, kann den Begriff „Lalibela“ googeln und sich von den Fotos gefangen nehmen lassen. Es gibt ein wachsendes Interesse am Erhalt dieser atemberaubenden Strukturen, so dass eine Veranstaltung für den 27.-29. März 2020 in Kassel geplant ist. Die beiden Besucher wünschten sich sehr, dass jemand an einem Tag für Experten aus Äthiopien als Ansprechpartner und Berater für Fragen der Dokumentation, des Denkmalschutzes, der Konzeptionierung etc. zu Verfügung steht. Eventuell kann sich ja auch hier eine Perspektive internationaler Studiengänge und eines Austausches ergeben, immerhin bestehen mit dem Land, dessen Präsident soeben den Friedensnobelpreis erhalten hat, seit mehreren Jahren gemeinsam mit Projektpartnern wie dem DAAD, der GIZ, dem Goethe-Institut, aber auch dem BMZ zaghafte Anfänge einer Kooperation im Entwicklungs- und Ausbildungsbereich.
Nicht zuletzt hat mich neulich ein nur schemenhaft zu erkennender Geist zu seiner Geburtstagsfeier eingeladen. Er wird ungefähr 2000 Jahre alt und ist Geflüchteter im sog. Heiligen Land. Da die Vor- und Nachbereitung eines so großen Jubiläums einige Zeit in Anspruch nimmt, meldet sich der Autor hiermit bis zum Januar ab – freut sich aber über jede und jeden, der die Kraft hatte, den Beitrag zu lesen und sich vielleicht sogar für das Themenfeld interessiert. Der Referent meint zumindest, im Internationalen stecken Spannung und Musike und würde gern mit Ihnen an diesem Strang flechten und ziehen – so Sie sich denn bei ihm melden.
Ihnen allen wünsche ich ein frohes Fest, Frieden, Gerechtigkeit, wenig Trauer, Gesundheit, Anerkennung und Lob, Glück und Sorgenfreiheit. Bleiben Sie der Welt Freund. Sie kann es gebrauchen.
Ihr Paul Grasse