In diesem Teil unserer Blogserie blicken wir auf das Restaurierungsstudium in Dresden, so wie es sich in den 2000er Jahren gestaltete.
Diplom-Restauratorin Annemarie Huhn, die ihr Studium im Jahr des Elbehochwassers 2002 aufnahm, berichtet über die künstlerische Ausrichtung, den hohen Praxisanteil und Experimente in der Restaurierungsküche.
Anlässlich des 50jährigen Bestehens des Restaurierungsstudiums an der HfBK Dresden dokumentiert der VDR in seinem Blog die Erinnerungen von Alumni aus fünf Jahrzehnten. Der Studiengang in Dresden gehört weltweit zu den ersten universitären Ausbildungsstätten auf dem Gebiet der Konservierung, Restaurierung und Kunsttechnologie und hat die Entwicklung der wissenschaftlichen Lehre geprägt.
– Interview über das Restaurierungsstudium in Dresden in den 2000er Jahren –
VDR: Wie entstand Ihr Wunsch Restauratorin zu werden?
Annemarie Huhn: In der Berufswahl habe ich die Restaurierung als facettenreiches Fach an der Schnittstelle verschiedenster Disziplinen kennengelernt, die es mir ermöglicht meine naturwissenschaftlichen, künstlerischen und handwerklich praktischen Interessen miteinander zu verbinden. Kopf und Hand sind in der Restaurierung gleichermaßen gefordert. Die ausgeprägte künstlerische Ausrichtung des Studiengangs an der HfBK Dresden war zum damaligen Zeitpunkt ein wesentliches Kriterium bei der Auswahl des Studienortes.
Von wann bis wann haben Sie an der HfBK Dresden studiert?
Ich habe von 2002 bis 2007 an der HfBK Dresden studiert. Die Eignungsprüfung bestand ich erst im zweiten Anlauf.
Bei welchen Professor:innen und in welcher Fachrichtung?
Im Vorpraktikum erhielt ich Einblicke in die verschiedenen Fachrichtungen und bewarb mich schließlich für das Restaurierungsstudium in der Fachklasse Skulptur.
Das Studium war untergliedert in das Grund- und Hauptstudium. Prof. Ivo Mohrmann leitete das Grundstudium, erst im Hauptstudium erfolgte die Aufteilung in die drei Fachklassen. Prof. Dr. Ulrich Schießl leitete die Fachklasse Skulptur, Prof. Heinz Leitner die Fachklasse Wandmalerei und Winfried Heiber die Fachklasse Gemälde. Die naturwissenschaftlichen Grundlagen vermittelte Prof. Dr. Christoph Herm, der zu Beginn meines Studiums die Professur (Nachfolge Prof. Hans-Peter Schramm) übernahm.
Typisches Merkmal des Profs?
In seinen Vorlesungen zeigte Prof. Dr. Ulrich Schießl endlos Dias mit Objektbeispielen.
In welchem Gebäude waren Sie untergebracht?
Der Studiengang Restaurierung war in der Güntzstraße 34 untergebracht. Neben den Atelierräumen im 3. OG, getrennt in Haupt- und Grundstudium, deckte ein weiterer Atelierraum auf der heutigen Verwaltungsebene im 2. OG den Raumbedarf.
Das naturwissenschaftliche Labor und das Fotoatelier befanden sich im Erdgeschoss, so dass alle Objekte für die fotografische Dokumentation durch das Treppenhaus getragen werden mussten. Auch die Anlieferung der Objekte war ein Kraftakt, zu dem gern die wenigen männlichen Studierenden mit herangezogen wurden.
Die Sanierung des Gebäudestandorts Güntzstraße erfolgte ab meinem Diplomjahr. Von der Auslagerung des Studiengangs in das Robotron-Gebäude am Pirnaischen Platz war ich durch mein externes Diplom im Merseburger Dom nicht betroffen.
Wie waren die Räume zu Ihrer Studienzeit ausgestattet?
Die Ateliers waren technisch gut ausgestattet. Die Werkbank und „Restaurierungsküche“ befand sich auf dem Gang im 3. OG. Hier führte ich unter anderem Textilfärbeversuche durch, es wurden Lüster gekocht und Restaurierungsmaterialien zubereitet. Auch die Fachklasse Gemälde wich bei großformatigen Objekten mit Klimazelt auf den Gang aus. Die Klimatisierung der Atelierräume erfolgte mit Luftbefeuchtern, deren Kontrolle zu den typischen Atelierdiensten der Studierenden zählte. Die Sanierung brachte vielfache Verbesserungen (Klimaanlage, Neumöblierung, Arbeitsschutz, Laborausstattung), allerdings habe ich den Vorzustand nicht als Mangel wahrgenommen.
Welche Studienrichtungen und -inhalte gab es?
Innerhalb des Studiengangs wurden die drei umgangssprachlich „Gemälde“, „Wandmalerei“ und „Skulptur“ genannten Spezialisierungsrichtungen angeboten.
Das breite Objekt- und Materialspektrum geben die offiziellen Fachklassenbezeichnungen wieder: Fachklasse für Konservierung und Restaurierung historischer, moderner und zeitgenössischer Malerei und Materialkonstruktionen („Gemälde“); von polychromen Bildwerken, Bildtafeln und Retabeln („Skulptur“) sowie von historischer Wandmalerei und Architekturfarbigkeit („Wandmalerei“).
Ich studierte noch nach der alten Studienordnung mit der Untergliederung in Grund- und Hauptstudium. Sämtliche Leistungsnachweise wurden in das Studienbuch händisch eingetragen.
Das thematisch breit angelegte Grundstudium vermittelte in Seminaren künstlerische (Anatomie, Portrait, Stillleben, künstlerisches Pleinair, Abendakt), kunsttechnologische (Techniken der Holzbearbeitung, Metallauflagen, historische Maltechniken der Tafel- und Wandmalerei), naturwissenschaftliche (Vorlesung und Laborpraktikum), kunsthistorische (Vorlesung, Architekturgrundlagen, Ikonographie) und restauratorische Grundlagen (Aufbewahrung und Transport, Untersuchung und Dokumentation, Dokumentationsfotografie, Berufsethik) und umfasste mehrere Praxisblöcke zur Konservierung und Restaurierung von Kunstwerken. Obligatorische Restaurierungspraktika entfielen auf die vorlesungsfreie Zeit.
Jahrgangsübergreifend boten die Fachklassen akademische Sommerschulen im Rahmen konkreter Restaurierungsvorhaben im In- und Ausland an, beispielweise das Valletta Rehabilitation Project 2004 im Grandmaster Palace in La Valletta/Malta.
Der praktische Fachklassenunterricht in der Konservierung und Restaurierung bildete den Schwerpunkt des Hauptstudiums. Fachklassenbezogene Seminare (Mikrobiologie, Holzarten- und Faserbestimmung, Bindemittelanalysen, strahlendiagnostische Aufnahmeverfahren etc.) und Vorlesungen (Kunstgeschichte, Denkmalpflege, Museologie, Rechtskunde, Geschäftskunde, Restaurierungsgeschichte) vermittelten weitere Lerninhalte. Die Seminararbeit im 4. Studienjahr stellte die erste wissenschaftliche Arbeit dar und konnte sowohl konkrete Objektuntersuchungen wie auch kunsttechnologische oder restauratorische Fragestellungen beinhalten.
Wie viele Studierende waren Sie ?
Wir waren insgesamt 15 Studierende im Jahrgang, die sich gleichmäßig auf die drei Fachrichtungen aufteilten.
Gab es während Ihrer Studienzeit in Dresden Ereignisse, die zwar nichts mit Restaurierung zu tun hatten, Ihnen aber gut im Gedächtnis geblieben sind?
Die Auswirkungen des Hochwassers prägten die Stadt, als ich im Herbst 2002 nach Dresden zog. Mehrere flutgeschädigte Gemälde wurden in der Folgezeit im Atelierunterricht, Praktikaangeboten im Studiengang und im Rahmen einer Diplomarbeit konserviert.
Ihr persönlicher Lieblingsort in Dresden?
Der Plauensche Grund, der Elbeflohmarkt.
Wie gestaltete sich der Austausch national und international?
Das Vorpraktikum und studienbegleitende Praktika boten gute Gelegenheiten Fachkontakte zu knüpfen und zu pflegen. Die akademischen Sommerschulen waren auch für Studierende anderer Hochschulen offen.
Haben Sie weiterhin Kontakt zu Kommiliton:innen, Dozen:tinnen und der Hochschule?
Wir haben bisher ein Jahrgangstreffen nach zehn Jahren veranstaltet. Durch die Beteiligung an mehreren Forschungsprojekten der HfBK Dresden bin ich weiterhin mit der Hochschule verbunden und verfolge die Entwicklung des Studiengangs, ohne direkt in den Studienbetrieb eingebunden zu sein.
Wie viele Praxiseinheiten gab es vor und während des Studiums?
Studienvoraussetzung war ein mindestens einjähriges Vorpraktikum in der Restaurierung. Während des Grundstudiums mussten zwei weitere externe Restaurierungspraktika á sechs Wochen absolviert werden. Das gesamte Studium war in zwei Theorietage (Vorlesungen) und drei Praxistage (Übungen und Seminare, Praxisunterricht) pro Woche aufgeteilt. Allein im Grundstudium entfielen laut Studienbuch 54 Praxistage auf den Atelierunterricht, im Hauptstudium nochmals mehr, ohne eine konkrete Summe nennen zu können.
Ihr Lieblingsgericht in der Mensa oder Ihr alternatives Lieblingsmittagsdomizil?
Das Café Lager wurde vom Studentenwerk betrieben und befand sich im Südflügel (jetzt Café OHA). An ein warmes Mittagsangebot kann ich mich nicht erinnern, aber es gab Salat.
Was wünschen Sie dem Studiengang in Dresden zum 50. Jubiläum?
Ich wünsche dem Studiengang weiterhin engagierte Dozent:innen und Mitarbeiter:innen, motivierte Studierende und stabile Bewerberzahlen, die es ermöglichen das Lehrangebot und Ausbildungsniveau zu halten.
Die Fragen stellten für den VDR Patricia Brozio und Mirjana Preibusch.
In der Serie "50 Jahre Restaurierungsstudium" sind bislang außerdem erschienen:
Marlies Giebe über Anfangsjahre an der HfBK Dresden
Daniela Arnold: So war mein Studium in den 1990ern
Weitere Teile folgen über das laufende Jahr 2024.
Zur Person Annemarie Huhn:
Berufliche Stationen:
- 2001: Allgemeine Hochschulreife
- 2001-2002: studienvorbereitendes Praktikum in den Zentralen Restaurierungswerkstätten der Museen der Stadt Erfurt
- 2002-2007: Studium an der Hochschule für Bildende Künste (HfBK) Dresden, Studiengang Kunsttechnologie, Konservierung und Restaurierung von Kunst- und Kulturgut, Fachrichtung bemalte Bildwerke, Bildtafeln und Retabel
- 2016: Weiterbildendes Studium Bauprojektmanagement an der Weiterbildungsakademie (WBA) der Bauhaus Universität Weimar e.V.
- seit 2007: freiberufliche Tätigkeit als Diplomrestauratorin, seit 2013 Schwerpunkt Fachplanung und Projektkoordination
- seit 2009: Koordination mehrerer Forschungsprojekte an der HfBK Dresden, aktuell des deutsch-tschechischen Projektes „Gemeinsamer Schutz und Dokumentation des Kulturerbes des Erzgebirges“
- seit 2022: Promotionsvorhaben zum Thema „Die Retabel und Holzbildwerke der Kirche St. Leo in Bibra/Grabfeld – kunsttechnologische Untersuchungen und vergleichende Auswertung der Tafelmalereien und Bildwerke“, seit 2023 Promotionsstipendiatin der Evangelischen Studienstiftung