Anne Harmssen im Interview Mit Spannung erwartet: Ein Tag für die Restaurierung

Die Idee, einen eigenen Aktionstag für Restauratoren ins Leben zu rufen war bei vielen Restauratoren jahrelang im Gespräch. Den Anstoß, diesen endlich umzusetzen, gab Anne Harmssen Anfang 2017 in Deutschland. Kurz danach fiel bei E.C.C.O. der Entschluss, einen Europäischen Tag der Restaurierung zu etablieren. Und knapp darauf folgte ein europaweiter Aufruf, den Belgien, Dänemark, Deutschland, Griechenland, Italien, Schweden und Spanien unmittelbar bestätigten.

Anne Harmssen, Mitglied im Präsidium des VDR und Leiterin der Abteilung Restaurierung bei der Museumslandschaft Hessen Kassel (MHK), berichtet über die Aktion in Deutschland und was diese mit dem pfleglichen Umgang mit Kulturgütern zu tun hat. Mit Anne Harmssen sprach Patricia Brozio von der Online-Redaktion.

 

Restauratoren Blog: Am 14. Oktober ist der erste Europäische Tag der Restaurierung. Warum brauchen wir diesen Tag und warum ist jetzt der richtige Zeitpunkt?

Anne Harmssen: Das Thema der Restaurierung und Kulturguterhaltung steht hoch im Kurs, da wir gerade das Europäische Kulturerbejahr feiern. Es ist genau der richtige Zeitpunkt, um den Europäischen Tag der Restaurierung zu platzieren und zu etablieren, vor allem auch deshalb, weil gerade in der letzten Zeit Beispiele von sehr schlechten Restaurierungen durch die Presse gingen. Gerade jetzt müssen wir zeigen, dass restaurieren gelernt sein will, und dass es einer langjährigen, hochqualifizierten praktischen und theoretischen Ausbildung an den Hochschulen und Restaurierungswerkstätten bedarf, um die Kompetenz zu erwerben, unser Kulturerbe sachgemäß zu erhalten. Vor allem finde ich es fantastisch, dass nun endlich mit diesem Aktionstag das Wort RESTAURIERUNG in den Vordergrund gerückt wird und sich hoffentlich in allen Köpfen einprägt. Vielleicht wird dann zukünftig nicht mehr so viel von Restauration gesprochen wenn Restaurierung gemeint ist.

Anne Harmssen ist Mitglied im Präsidium des VDR und leitet die Abteilung Restaurierung der Museumslandschaft Hessen Kassel.

Was ist das Ziel?
Wir wollen begeistern für die Bewahrung von Kunstwerken und Kulturgut. Ich persönlich kann nur immer wieder bestätigen, dass der Beruf des Restaurators ein ganz wunderbarer Beruf ist, und die Liebe für diese Tätigkeit möchte ich dem Laienpublikum vermitteln! Wir Restauratoren haben das große Privileg, dem Kulturgut ganz nahe kommen zu dürfen. Wir können es berühren, untersuchen und pflegen. Es wurde uns anvertraut, weil wir in der Lage sind dieses Erbe – sei es 500 oder erst 5 Jahre alt, seien es Funde aus der frühen Menschheitsgeschichte oder eine zeitgenössische Medieninstallation – durch unser manuelles Geschick und durch unser breit gefächertes Fachwissen zu konservieren und zu restaurieren, es zu erhalten und damit den nachkommenden Generationen in einem gepflegten Zustand zu übergeben. Wir tragen maßgeblich dazu bei, dass Erinnerungswerte für die Gesellschaft und nachkommenden Generationen erhalten bleiben!

Wir wollen mit unserer Leidenschaft für unseren Beruf die Menschen mit auf die Reise nehmen und ihnen spannende Geschichten über die Objekte erzählen, die wir aus der Nähe studieren durften. Sie sollen miterleben dürfen, wie hochwertig und aufwändig die Herstellung war, oder warum Objekte im Verlauf ihres Daseins Schaden genommen haben. Wir möchten vermitteln, dass es Unterschiede gibt zwischen Schäden, die durch Benutzung und Schäden, die durch schlechte Lagerung oder durch chemische Alterung der Materialien herbeigeführt worden sind. Wir wollen dem Publikum die wissenschaftliche Herangehensweise und die handwerklich feinmotorische Arbeit von Restauratoren an unterschiedlichsten Beispielen aus allen kunst- und kulturgeschichtlichen Objektgattungen vorstellen und sie für diese Tätigkeit sensibilisieren. Wir möchten für einen pfleglichen Umgang mit unserem kulturellen Nachlass werben. Und wir möchten verdeutlichen, dass das Thema Erhalten in unserer heutigen Wegwerfgesellschaft wieder einen größeren Stellenwert einnehmen muss. Die Jugend sollte das Wort „Nachhaltigkeit“ nicht nur im Sinne des Umweltschutzes, sondern auch im Sinne des Kulturgutschutzes benutzen lernen. Vielleicht schaffen wir es, mit dem Europäischen Tag der Restaurierung die Jugend anzusprechen und für unseren Beruf zu werben. Das wäre mein großer Wunsch.

Viele Restauratoren stehen schon in den Startlöchern.
Stimmt, wir haben bereits im April unter den VDR-Mitgliedern einen Aufruf gestartet, sodass alle Kolleginnen und Kollegen genügend Zeit haben sich zu überlegen, in welcher Form sie Einblicke in ihre Arbeit geben möchten. Aus ganz Deutschland haben Kollegen bereits signalisiert, dass sie an diesem Aktionstag mitmachen werden. Von Museen, Hochschulen und selbständigen Restauratoren aus verschiedenen Großstädten Deutschlands wissen wir, dass sie vielfältige Angebote planen, um Einblicke in restauratorische Tätigkeiten zu geben, die sonst hinter verschlossenen Türen stattfindet. Allein in und um Berlin dürfen Besucher sich auf rund 50 Veranstaltungen freuen, viele davon an den Berliner Museen, denen wir ungeheuer dankbar sind für diesen Einsatz. In Berlin wird die VDR-Geschäftsstelle übrigens auch gemeinsam mit der Landesgruppe Berlin/Brandenburg einen Informationsstand zum Berufsbild des Restaurators aufbauen. In Schleswig-Holstein wiederum wird erstmals ein Nachwuchspreis an Restauratoren vergeben, eine herausragende Aktion, die für die Etablierung dieses Tages einen publikumswirksamen Akzent setzen wird!

„Nähen? Kann ich auch!“ ist der Titel einer Werkstattführung am 14.Oktober. Im Bild: Diplom-Restauratorin (FH) Cornelia Hofmann, Leiterin der Restaurierung der Museen der Stadt Dresden.

 

Wie können sich Restauratoren anmelden?
Wir haben eine eigene Website zum Europäischen Tag der Restaurierung eingerichtet, auf der Informationen zum Mitmachen zu finden sind und sich Restauratoren und Institutionen unabhängig von einer Verbandsmitgliedschaft registrieren und ihre Veranstaltungen eintragen können. Dies ist seit Ende Juni möglich. Es stehen bereits einige Veranstaltungen online und es werden täglich mehr. Das Programm auf der Website gibt Besuchern die Möglichkeit, sich über die bundesweiten Angebote zu informieren. Unabhängig davon haben viele Veranstalter auch selbst Informationen auf ihren eigenen Internetseiten eingestellt und verlinkt.

Wie erfahren die Besucher vom Europäischen Tag der Restaurierung?
Für Veranstaltungen, die bis Mitte September online erfasst sind, kann der VDR überregionale Pressearbeit leisten. Die VDR-Pressestelle wird z.B. versuchen, den Aktionstag in den großen Tageszeitungen, Special Interest Magazinen, aber auch Fachzeitschriften mit Anzeigen und Artikeln zu platzieren. Zudem wird sich der Verband mit den Presseabteilungen der Museen kurzschließen. Auch wird geschaut, ob in einer Region beispielsweise mehrere Veranstaltungen unterschiedlicher Restauratoren oder Firmen stattfinden. Hier bestünde die Möglichkeit, eine gebündelte Pressemeldung herausgeben.
Für die regionale Pressearbeit gibt der VDR den beteiligten Restauratoren Anfang September Vorlagen für Pressemeldungen und Hilfestellungen für Pressearbeit an die Hand, denn die regionalen Zeitschriften vor Ort kennen die Restauratoren in der Regel besser als die VDR-Pressestelle.
Auch stellen wir Werbemittel zur Verfügung, darunter Flyer, Poster, Briefpapier und später auch Banner zum Aufhängen. Einige dieser Werbemittel erhalten VDR-Mitglieder gratis, Nicht-Mitglieder zahlen eine Schutzgebühr. Die Bestellmöglichkeit hierfür ist seit Mitte Juli ebenfalls auf der Website zu finden.

Wie wird der 14. Oktober gestaltet? Gibt es einen zentralen Auftakt in Deutschland?
Ja, geplant ist ein medialer Auftakt, der in diesem Jahr in Kassel stattfinden soll. Die Wahl der Stadt im Herzen Deutschlands mit der bedeutenden Museumslandschaft Hessen Kassel (MHK), welche zudem auch noch mit dem Weltkulturerbestatus werben kann, waren wichtige Kriterien bei der Wahl des Veranstaltungsortes. In Kassel werden wir alles daran setzen, die bundesweite Presse in der Woche vor dem 14. Oktober auf diesen Aktionstag aufmerksam zu machen. Wir werden mit bedeutenden Persönlichkeiten aus dem kulturellen Umfeld und einem Präsidiumsmitglied des VDR der Presse Rede und Antwort stehen und auf die Wichtigkeit dieses Aktionstages hinweisen. Es ist geplant, an einem Tag eine Beratung anzubieten im Sinne der „Kunst und Krempel Show“, bei welcher sich Laien kostenlos Rat bei Restauratoren zur Restaurierung ihrer Schätze einholen können. Wir versprechen uns ein recht großes Interesse bei der Presse, welche dann hoffentlich auch überregional auf den Europäischen Tag der Restaurierung hinweisen wird.

Wir können mit Stolz sagen, dass Sie zu den Personen gehören, die diesen Aktionstag maßgeblich vorangetrieben haben. Somit hat die Presse bei der Eröffnung eine ganz zentrale Ansprechpartnerin vor Ort.

Poster zum 1. Europäischen Tag der Restaurierung

Nun, ich freue mich unendlich, dass wir es im Verband der Restauratoren gemeinsam geschafft haben, diesen Tag zu etablieren. Und natürlich ist es mir als Leiterin einer Abteilung Restaurierung mit elf festangestellten Restauratorinnen und Restauratoren aus neun Fachgebieten außerordentlich wichtig die herausragende Arbeit meiner Kollegen der Öffentlichkeit zu präsentieren. Genauso wichtig ist es mir, dass die Arbeit der freischaffenden Kollegen, die für die Museumslandschaft Hessen Kassel tätig sind, und ohne die wir unsere größeren Restaurierungsprojekte kaum bewältigen könnten, von der breiten Öffentlichkeit wahrgenommen wird. Kassel kann daher ein sehr vielfältiges Programm aus allen restauratorischen Fachgebieten präsentieren, welches Besuchern zum einen den Einblick hinter die Museumskulissen ermöglicht, aber auch den freischaffenden Kollegen eine Plattform bietet, ihre eigenen Restaurierungsprojekte vorzustellen.

Auf einer Skala von 1 bis 10: Wie groß ist die Spannung, mit der Sie diesem Tag entgegenblicken?
Eindeutig eine 10. Mehr Spannung ist kaum möglich.

 

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