Seit 2019 wird „Die Nachtwache“ (1642) von Rembrandt van Rijn im Amsterdamer Rijksmuseum untersucht und restauriert. Geschützt hinter Glas, aber vor den Augen der Besucher, findet hier die „Operation Nachtwache“ statt – die größte und umfassendste Studie, die jemals zu Rembrandts berühmtestem Gemälde durchgeführt wurde. Und wie sich jüngst zeigte, ist die Nachtwache immer wieder für Überraschungen gut.

„Es ist bemerkenswert, dass fast 400 Jahre nach seiner Entstehung immer noch neue Entdeckungen über eines der am meisten untersuchten Gemälde der Welt gemacht werden. Diese Erkenntnis gibt uns einen weiteren Einblick in Rembrandts Denkprozesse bei der Entstehung dieses Werkes“, sagte Taco Dibbits, der Generaldirektor des Rijksmuseums kürzlich in einer Pressemeldung. Kurz zuvor war entdeckt worden, dass der bellende Hund in der Nachtwache auf einer Zeichnung von Adriaen van de Venne (1590-1662) aus dem frühen 17. Jahrhundert basierte.
„Als ich die Zeichnung in einer Ausstellung sah, dachte ich sofort an den Hund in der Nachtwache. Der Kopf, das Halsband und die Haltung des Hundes haben eine so starke Ähnlichkeit, dass es nur bedeuten kann, dass Rembrandt diese Zeichnung als Inspirationsquelle verwendete. Die anschließende Forschung hat dies bestätigt“, berichtet die Kunsthistorikerin und Kuratorin am Rijksmuseum Anne Lenders.


Die auffälligste Ähnlichkeit zwischen den beiden Hunden ist die identische Drehung der Köpfe, wobei beide in die gleiche Richtung nach oben blicken und ihre Mäuler leicht geöffnet sind. Ein weiteres ähnliches Merkmal ist die dunkle Linie, die die Position des rechten Auges anzeigt. Außerdem sind die Schädeldecken beider Tiere in zwei Abschnitte unterteilt, deren Halsbänder deutlich übereinstimmen. Auch die Pose der beiden Hunde ist ähnlich. Wie in Rembrandts Gemälde zeigt Van de Vennes Zeichnung den Hund, der diagonal in der Bildfläche positioniert ist, mit dem Oberkörper nahe am Boden. Der größte Unterschied besteht darin, dass der Hund in der Nachtwache auf allen vier Beinen steht, während Van de Vennes Hund auf den Vorderbeinen liegt und die Brust auf dem Boden zeigt. Anders als in der Zeichnung sind bei der Nachtwache der Schwanz und die Hinterbeine zu sehen.

In der kürzlich entdeckten untermalten Skizze, die mittels MA-RFA-Analyse (Makro-Röntgenfluoreszenz) sichtbar gemacht wurde, ist zu sehen, dass der Hund in der Nachtwache ursprünglich mit dem rechten Vorderbein stärker gebeugt und der Brust näher am Boden dargestellt wurde. In dieser ersten Darstellung ähnelte die Pose des Hundes in der Nachtwache noch mehr der Zeichnung von Van de Venne.

Die Zeichnung wurde 1619 von dem Künstler, Dichter und Verleger Adriaen van de Venne (1590-1662) angefertigt und zeigt die biblische Geschichte von Joseph, der von Potiphars Frau versucht wurde. Es handelt sich um einen Entwurf für die Titelseite von „Self-stryt, dat is, Krachtighe beweginghe van Vlees ende Gheest“ (Selbstkonflikt oder Die mächtigen Bewegungen zwischen Fleisch und Geist), einem populären Buch von Jacob Cats, das erstmals 1620 veröffentlicht wurde. Neben den Ähnlichkeiten zwischen den Hunden gibt es noch weitere Hinweise darauf, dass Rembrandt mit Van de Vennes Zeichnung vertraut gewesen sein muss. Rembrandt besaß eine sehr große Sammlung von Druckgrafiken und Zeichnungen anderer Künstler, aber ob sie auch Van de Vennes Zeichnung enthielt, ist nicht bekannt. Er bediente sich einer Vielzahl vorhandener Druckgrafiken, Zeichnungen und anderer Quellen für die Posen mehrerer Milizionäre, die in der Nachtwache dargestellt sind.


Das Rijksmuseum hat unabhängig davon eine neue sechsteilige YouTube-Serie produziert, die mit bemerkenswerten Geschichten über die Nachtwache gefüllt ist. „The Night Watch: Every Inch a Story“ erkundet, wie Rembrandts berühmtestes Gemälde immer wieder Geheimnisse preisgibt. Jede Episode führt die Zuschauer durch verborgene Details, historische Zusammenhänge und Operation Night Watch – das bahnbrechende Forschungs- und Restaurierungsprojekt, das den Haupterzählstrang der Serie bildet. Es zeigt Kunsthistoriker:innen, Forscher:innen und Restaurator:innen, die ihre Erkenntnisse teilen und zeigen, wie dieses fast vier Jahrhunderte alte Meisterwerk immer noch die Fantasie in seinen Bann zieht.
Text aus der Pressemitteilung des Rijksmuseums vom 17.09.2025