Désirée Kosel steht kurz vor ihrer Masterthesis. Nachdem sie zunächst eine Lehre als Tischlerin absolviert hat, studiert sie mittlerweile im 3. Semester, Konservierung und Restaurierung von Holz. Im Interview berichtet sie, wie sie den Weg in die Restaurierung und an die FH Potsdam gefunden hat.

VDR: Wie kamst du zum Restaurieren? Was war deine Motivation?
Désirée Kosel: Nach meiner Schulzeit habe ich eine Ausbildung zur Tischlerin gemacht. Drei Jahre war ich in der Lehre und innerhalb dieser Zeit habe ich an einem Praktikum in Frankreich teilgenommen, das für mich richtungsweisend war. Vermittelt wurde das Praktikum über die Restaurierungs-Werkstätten Berlin in Grünau, die sich an einer Art Schüleraustausch mit einer Schule in Château-Chinon in der Region Bourgogne [dem Lycée des Métiers François Mitterrand] beteiligten.
Das Angebot klang für mich ganz interessant, denn an dieser Schule wird noch das Handwerk der Ebenisten gelehrt. Die Schüler lernen Drechseln, Schnitzen, Zeichentechniken, wie man Furnierbilder legt – das Rüstzeug zum Kunsthandwerker, sage ich mal. In den drei Wochen habe ich ein bisschen mitgearbeitet, eine Dose gedrechselt, etwas geschnitzt und Furnierbilder gelegt. Das fand ich cool, weil mir die Arbeit mit dem Werkstoff Vollholz in der Tischlerei gefehlt hat. Im Tischlerbetrieb habe ich viel mit Plattenwerkstoffen gearbeitet und vor allem Einbauschränke und Küchen gebaut. Frankreich war für mich also das erste richtungsweisende Moment, das mich zu meinem jetzigen Beruf geführt hat.
Witzigerweise hat meine Mama kurz darauf einen Zeitungsartikel gelesen, in dem zum Tag der offenen Tür an die FH Potsdam eingeladen wurde. Und da meinte sie „Hey, wäre Restaurierung nicht etwas für dich?“ Ich wusste nicht, dass man das studieren kann und so beschlossen wir hinzufahren. Am Tag der offenen Tür haben wir uns alle Studiengänge angeschaut – Wandmalerei, Stein, Metall und Holz. Alle Lehrenden waren sehr, sehr nett, die Atmosphäre war familiär und die Professoren haben einem die Angst vor dem Studieren genommen. Es hat mir auf Anhieb sehr gut gefallen.
Das war der Moment, in dem du dich für die Restaurierung entschieden hast?
Genau, Holzrestaurierung wollte ich gerne machen mit meiner Ausbildung als Grundlage.
Wie ging es dann weiter?
Studieren wollte ich sowieso immer noch, und weil das Vorpraktikum damals noch Pflicht war, habe ich mich nach meiner Lehre für ein Vorpraktikum beworben. Zwar wurde die Praktikumspflicht an der FHP ein halbes Jahr danach abgeschafft, und theoretisch hätte ich das einjährige Praktikum nicht beenden müssen, aber ich fand es in der Holzwerkstatt im Kunstgewerbemuseum in Berlin super spannend. Dort habe ich noch einmal einen völlig anderen Einblick bekommen.
Tischlern und Restaurieren ist nicht dasselbe. Die Philosophie, die dahintersteckt, ist ganz anders. Die Objekte, mit denen man beim Restaurieren zu tun hat, veranschaulichen einem, was mit dem Werkstoff Holz möglich ist. Gerade wenn man an alte Möbel denkt, ist es schon Wahnsinn, welche Techniken Anwendung fanden. Die Kunsthandwerker sind bis an die Grenzen des Machbaren gegangen. Das finde ich bis heute extrem faszinierend.
Im Januar war dann die Aufnahmeprüfung an der Hochschule, und es hat direkt auf Anhieb geklappt, sodass ich ein Jahr nach der Tischlerausbildung mit dem Studium anfangen konnte. Also muss ich meiner Mama einen großen Dank aussprechen, dass sie mir den Hinweis gegeben und mich motiviert hat. Bis heute schneidet sie mir übrigens noch Zeitungsartikel aus, die mit Konservierung und Restaurierung zu tun haben und zeigt sie mir, wenn ich zu Besuch bin: „Schau mal, ist das nicht ein spannendes Projekt?“.
Das kenne ich. Was war denn dein bisher spannendstes Projekt?
Also das Spannendste war wohl mein Praxisobjekt, das ich im Bachelorstudium bearbeitet habe. Zum einen, weil man das Objekt über Semester von vorne bis hinten begleiten konnte; es untersucht, ein Konzept entwickelt und nachher auch die Restaurierung umsetzt. Deswegen ist dieses Praxisobjekt wahrscheinlich für immer am intensivsten in meinem Kopf.
Zum anderen war es auch spannend, weil der Tisch, den ich bearbeitet habe, sich in einem wirklich schlechten Zustand befunden hat, weil er sehr lange auf dem Dachboden eines Schlossmuseums gelagert war. Die Tischplatte war in zwei Teile gebrochen und diese hatten sich arg verformt. Hier war die Überlegung: Wie kann ich die Verformung der Plattenteile zurückführen und wie bekomme ich das wieder zusammen?
Wir haben lange diskutiert, über mehrere Semester überlegt und verschiedene Ideen entwickelt. Und am Ende habe ich die Tischplattenteile mit einem Vakuumverfahren gepresst. Das ist ein Verfahren, das in den Niederlangen entwickelt und an Schranktüren erprobt wurde. Hierbei muss man vorher die Holzfeuchte erhöhen, bestimmte Temperaturen beim Pressverfahren beachten und so weiter. Wir haben erst einmal an Probetafeln geübt und waren gespannt, ob es beim Objekt selbst funktioniert, weil sich jedes Holz anders verhält.

Aus welchem Holz bestand der Tisch?
Der Tisch bestand aus einer Trägerplatte aus Kiefernholz, das mit verschiedenen Furnierhölzern einseitig belegt war. Beim Vakuumverfahren war also auf die verschiedenen Materialien – die unterschiedlichen Hölzer, die Verleimungen und den Schellacküberzug – zu achten. Viele Dinge hätten schief gehen können. Am Ende hat es aber erstaunlich gut geklappt und ich konnte die Plattenteile zurückformen, zusammenkleben und wieder auf den Tisch aufbringen. Es war einfach toll, den Zustand vorher und nachher im Vergleich zu sehen und mitzuerleben, was mit diesem Vakuumverfahren möglich ist.
Meine Arbeit durfte ich sogar bei der ConNext 2023 vorstellen und dabei habe ich viel positive Resonanz erhalten. Offensichtlich haben viele Kollegen Interesse, mit dem Verfahren zu arbeiten, wissen aber nicht, wie in der Praxis damit umzugehen ist. Es gab auch immer wieder Studierende, die auf mich zugekommen sind und mit dem Verfahren arbeiten wollten. In unserer Hochschulwerkstatt stehen seither viele Klimakisten herum, weil man das Holz erst einmal klimatisieren muss bevor man es im Vakuum pressen kann. Es ist toll, dass das Verfahren jetzt öfter angewendet wird und die Scheu davor nicht mehr so groß ist.


Schaut man sich im Studium viel voneinander ab?
Ja, ich denke schon. Man schaut sich an, was die anderen machen und profitiert davon. Gegenseitig.
Du erwähntest die ConNext. Was ist das genau?
ConNext steht für „Conservation by the Next Generation“ und ist eine internationale Studierendenkonferenz zur Konservierung und Restaurierung von Holzobjekten und Möbeln, die jungen Menschen erste Konferenzerfahrungen in einem unterstützenden Umfeld ermöglicht. Sie wird von der Universität Antwerpen initiiert und gemeinsam mit internationalen Partnerhochschulen organisiert. Ziel ist der grenzüberschreitende Wissensaustausch sowie die Förderung nachhaltiger Netzwerke innerhalb der Restaurierung.
Verstehe, also eine jährliche Konferenz ähnlich wie das Studierendenkolloquium „StuKo“ unserer Restaurator:innen in Ausbildung, aber fachrichtungsbezogen und international besetzt… Apropos Vorträge: Gab es in deinem Studium eine Vorlesung, die du besonders inspirierend fandest?
Es gab wirklich viele spannende Vorlesungen. Besonders interessant fand ich das Modul zur Stadtbaugeschichte bei den Architekten, in dem wir erfahren haben, wie sich Bauformen entwickelt haben, wie diese im Verlauf der Epochen aufeinander zurückgreifen, sich miteinander verknüpfen, weiterentwickeln und dann auch Gegenbewegungen entstehen. Im Prinzip ähnlich wie in der Kunstgeschichte. Genauso faszinierend fand ich die Vorlesungen zur Geschichte des Ornaments, wo wir Studierenden mit der Dozentin viel in Museen waren und uns die Entwicklung der Ornamente direkt an den Objekten angeschaut haben. Das hat einem das Wissen an die Hand gegeben, Objekte zeitlich präziser einzuordnen zu können.
Werfen wir einen Blick in die Zukunft: Worum wird sich deine Masterarbeit drehen?
Tatsächlich bin ich gerade dabei, mir ein Thema zu überlegen.
In meiner Bachelorarbeit hatte ich mich zusammen mit einem Kommilitonen mit Küchenmöbeln aus dem 20. Jahrhundert beschäftigt. Mein Kommilitone hatte sich intensiv mit der Geschichte von Küchen und der Werkschronik eines Herstellers auseinandergesetzt, und ich war für den technologischen Bereich zuständig. Ich habe mich mit den Beschichtungen von Küchenmöbeln befasst und untersucht, wie sich diese im Laufe der Zeit verändert haben.

Generell bin ich sehr interessiert an moderneren Möbeln, die schon einen gewissen Denkmalwert haben. Ich könnte mir vorstellen, dass ich mich in der Masterthesis eventuell mit einem anderen Möbeltypus oder Ensemble aus dem letzten Jahrhundert beschäftige. In dem Zeitraum ist in der Lackindustrie ganz viel passiert. Der Übergang von historischen zu moderneren Lacken ist wirklich spannend.
Aber vielleicht wird es auch ein ganz anderes Thema werden. Unser Master ist ja sehr auf denkmalpflegerische und baugebundene Holzobjekte ausgelegt, und ich hatte mich zuletzt in einem Studienprojekt mit Zierelementen an einem Holzhaus beschäftigt. Das war ein ganz anderes Herangehen als bei einem Möbel, weil dann hast du es plötzlich mit Witterung zu tun, und musst darauf achten, dass die Zierelemente eventuell auch Funktionen zu erfüllen haben, die manchmal nicht zu unterschätzen sind. Wenn sich also ein passendes Objekt findet, das Herausforderungen wie diese bietet, wäre das auch super interessant.
Letztlich muss man gucken, welches interessanten Objekte man gerade findet. Aktuell bin ich dabei viele E-Mails zu schreiben, Termine zu vereinbaren und die Möglichkeiten abzuwägen. In zwei, drei Wochen weiß ich hoffentlich mehr.
Wie groß ist der Druck ein passendes Masterprojekt zu finden?
Leider schon groß, weil man hört: „Das ist dein Aushängeschild für den Arbeitsmarkt später.“ Man will etwas machen, was einen wirklich interessiert, was einen aber nicht komplett überfordert. Man muss Grenzen stecken, damit die Arbeit nicht ausufert.
Es braucht also ein Objekt, das eine spannende Herausforderung bietet und für das sich eine klare Aufgabenstellung formulieren lässt.
Ja, total.
Die Daumen sind gedrückt. Hast du denn für deine berufliche Zukunft nach dem Masterabschluss bereits Pläne geschmiedet?
Nach dem Studium habe ich schon vor, im Berliner Umland zu bleiben, auch wenn ich durch meine bisherige Mitarbeit bei verschiedenen selbstständigen Restauratoren weiß, dass dies wegen der Auftragslage nicht unbedingt einfach ist.
Meine Traumvorstellung wäre in einem Werkstattkollektiv zu arbeiten. Vielleicht mit Kolleginnen und Kollegen aus anderen Fachrichtungen, vielleicht auch mit Leuten in einem ähnlichen Alter, wo man sich selbst noch herantasten und gegenseitig unterstützen kann und es auch möglich ist größere Aufträge anzunehmen.
Genauso wäre es für mich toll, halb-halb zu machen, also teils selbstständig und teils angestellt zu sein wie zum Beispiel in einem Denkmalamt. So ganz genau lässt sich noch nicht sagen, wie es nach dem Studium weitergeht. Es gibt viele Wege, was ja auch das Schöne ist. Ganz neu bei uns an der FHP haben wir auch die Fachplanung. Auch in diesem Bereich könnte ich mir vorstellen, später einmal zu arbeiten.
Das Interview führte Patricia Brozio bereits am 3. Juni 2025 im für die VDR-Onlineredaktion.
Inzwischen hat sich bezüglich der Auswahl eines Masterthemas einiges getan. Sehr wahrscheinlich wird Désirée Kosel sich mit einem Holzhaus in Potsdam auseinander setzen, das derzeit in die Denkmalliste aufgenommen wird.