50 Jahre Restaurierungsstudium – Fragen an Alumni aus 5 Jahrzehnten Annett Xenia Schulz über das zweite Jahrzehnt des Restaurierungsstudiums in Dresden

In unserer Blogreihe zum 50Jahrjubiläum des Restaurierungsstudiums in Dresden blicken Studierende aus den vergangenen Jahrzehnten zurück auf Ihre Studienzeit. In diesem Teil schildert Annett Xenia Schulz lebhaft ihre Studienerlebnisse ab 1987. Für ihren Bericht hat sie mit ihren Kommilitoninnen und Kommilitonen gesprochen und zahlreiche Anekdoten aus der turbulenten Wendezeit zusammengetragen.

Ein Bericht über unvergessene Ausflüge im Trabi, legendäre Abendessen, löchrige Kantinenlöffel und über all die Menschen, die den Studienalltag bereicherten.

Dieser Bericht muss weitgehend ohne Bebilderung auskommen, die Worte sprechen aber für sich selbst. Foto: Stadtansicht Dresden, Pixabay

– Interview über das Restaurierungsstudium in Dresden in den 1980er Jahren –

VDR: Wie entstand Ihr Wunsch Restaurator:in zu werden?

Annett Xenia Schulz: Ich komme aus Eisenhüttenstadt. Das liegt ca. 7 km vom Kloster Neuzelle entfernt. Ich habe oft meine Mutter mit dem Fahrrad von ihrer Arbeit in einem Neuzeller Institut abgeholt und auf dem Weg regelmäßig im Klosterbereich den Restauratoren zugesehen, die in den 1980er Jahren dort bereits arbeiteten.

Ich war von dem Improvisieren, dem Unkonventionellen und der Atmosphäre, die herrschte, fasziniert, denn es unterschied sich so sehr vom sonstigen Arbeitsklima in der DDR.

Als Jugendliche habe ich später meinen Onkel, der im Auftrag des Rates des Kreises, Abteilung Kultur für den Landkreis Denkmäler erfasste, als „Schreibhilfe“ begleitet. Ein besonderes Augenmerk lag dabei immer auf den farbigen Gestaltungen. Als Lehrling fertigte ich dann häufig die Dokumentationszeichnungen für ihn an.

Mich interessierte sowohl das Studium in Dresden als auch in Potsdam. Die Voraussetzungen für die Studienaufnahme waren ein ein- bis zweijähriges Vorpraktikum oder eine Berufsausbildung und Vorpraktikum. Da ich nach dem Abitur im Gegensatz zu meinen Mitschülern keinen Studienplatz hatte und auch keinen Vorpraktikumsplatz vorwies, wurde ich vom Berufsberatungszentrum an die Berufsschule des Eisenhüttenkombinates Ost in Eisenhüttenstadt vermittelt und habe dort eine zweijährige Lehre als Maschinenbauzeichnerin (Konstruktion) absolviert.

In diesen zwei Jahren habe ich die Aufnahmeprüfung in Dresden bestanden und bin nach erfolgreicher Lehre ins Vorpraktikum zu Ingo Timm in das Märkische Museum gegangen. Da zu diesem Zeitpunkt die 750-Jahrfeier Berlins vorbereitet wurde, waren sehr viele Restauratoren unterschiedlichster Fachrichtungen im Museum beschäftigt und ich hatte Gelegenheit an verschiedenen Objekten beteiligt zu werden, was den Wunsch, sich mit polychromierter Fassung im Studium zu beschäftigen, weiter verstärkte.

Von wann bis wann haben Sie in Dresden studiert?

Mein Studium begann 1987 und dauerte bis 1992. Das war ein wirklich sehr spannender Zeitraum.

Bei welchen Professor:innen? Und in welcher Fachrichtung?

Die fünftägige Unterrichtswoche in den ersten zwei Studienjahren bestand aus einem Wechsel zwischen Theoriefächern und praktischer Ausbildung bzw. künstlerischem Grundlagenstudium.

In den Theoriefächern hat mich Prof. Rother im Fach Architektur stark geprägt.
Sie fragen leider nur nach den Professoren, die Dozenten im künstlerischen Grundlagenstudium wie Herr Jacob, Herr Tippel, Herr Jockusch und Herr Schreiber im Fach Anatomie hatten großen Einfluss.

Wir haben eine sehr solide künstlerische Ausbildung erhalten. Ich erinnere mich gern an den Kurs Drucktechniken zurück, wo wir die verschiedensten grafischen Techniken ausprobieren konnten. Einen großen Raum nahm im Studium das von Herrn Jacob unterrichtete Fach Maltechnik ein, das nicht nur theoretisch vermittelt wurde. Wir haben eigene Bildthemen in der Technik verschiedenster Epochen auf Leinwand und Holz gestaltet. Die Malmaterialien dafür haben wir selbst angemischt.

Das Studium fing in der ersten Woche, eigentlich die Kennlernwoche, mit dem Aufspannen von Leinwänden und Grundieren bei Frau Meier an. Der erste Kurs fand gemeinsam mit den Malerstudenten statt. Diese und die Studenten der anderen Fachrichtungen trafen wir dann jeden Montag, denn die Unterrichtswoche begann mit den obligatorischen Vorlesungen in Marxismus/Leninismus für alle. Ich kam wie die meisten von uns Studenten permanent zu spät (Schon damals waren die Fahrpläne der Bahn optionale Größen). Zehn Jahre früher hätte man uns wahrscheinlich dafür exmatrikuliert.

Im Fach Kunstgeschichte erinnere ich mich an Herrn Weidner, der mich oft zum Widerspruch brachte. Die Kunsthistorikerin Frau Lademann fuhr in den letzten Oktobertagen 1989 mit uns für eine Woche zur Exkursion zu den romanischen Kirchen des Harzes. Sie saß mit den stärksten Rauchern meiner Seminargruppe im Auto. Der Trabi qualmte mit seinen in blauen Nebel gehüllten Insassen, durch die von Industrieabgasen und Braunkohle verschmutzten ruinösen Städte Gernrode, Quedlinburg, Thale. Am Rande von Osterwieck diskutierten wir an einer Schranke die Lebensdauer der innerdeutschen Grenze, nicht ahnend, dass diese wenige Tage später der Vergangenheit angehören würde.

In der praktischen Ausbildung hatten wir, wie bereits in den vorherigen Blogs beschrieben, Blockunterricht und uns unterwiesen Restauratoren, die von außerhalb an die Hochschule zum Unterricht kamen. Dadurch war stets der Bezug zur Praxis vorhanden. So vergoldeten wir Rahmenleisten für das Dresdner Schloss, dessen Rekonstruktion gerade begonnen hatte bei Herrn Taubert. Aus den Werkstätten des Berliner Bodemuseums kam Herr Schulz. Das in diesem Kurs angefertigte Winkelmaß und das Streichmaß nutze ich heute noch gern.

Die naturwissenschaftlichen Fächer wurden von Herrn Prof. Schramm unterrichtet und die praktische Ausbildung im Labor übernahmen seine Frau und Herr Woelker sowie anfangs Herr Hering, der uns noch eine Klausur schreiben ließ, deren Ergebnisse wir nie erfuhren, da Herr Hering am nächsten Tag auf dem Weg in den Westen war.

Prof. Schramm hat uns künstlerisch Veranlagten die Naturwissenschaften so aufbereitet, dass wir die in der Restaurierung nötige Chemie wirklich begriffen haben…

Neben dem Labor befand sich das Fotolabor mit Herrn Steuerlein, in dessen Kurs wir in den schmalen engen Dunkelkammern Fotos entwickelten. Meine Kommilitonen hatten zu diesem Zeitpunkt die gesunde Wirkung des Knoblauch entdeckt. Es entzieht sich meiner Kenntnis, wie Herr Steuerlein diese Erkenntnis fand.  

In den ersten zwei Studienjahren waren wir als Seminargruppe zusammen. Die Spezialisierung fand erst im 3. Studienjahr statt. Dadurch hatten wir in den ersten Jahren alle gemeinsam Unterricht bei Prof. Sandner zur Gemäldekonservierung und Konservierung von Farbfassungen, Retusche bei Frau Giebe, Bildreinigung bei Prof. Timm, Grundlagen in der Wandmalerei bei Prof. Möller und allen anderen, in den vorherigen Blogs bereits Genannten.

Mit Prof. Möller waren wir in Wilsdruff in der Kirche und er hat uns wirklich im Ort zum Quark kaufen losgeschickt für das Ansetzen von Kasein zum Festigen. Allerdings war er mit dem gekauften Produkt unzufrieden. Zum Mittagessen genossen wir dann eine große Schüssel Leinölquark.

Legendär waren die Abendessen mit Prof. Timm. Am letzten Kursabend kochte er für die Studenten des Kurses. Den Namen der Werksstudentin, die ihre Küche und ihr Wohnzimmer in Dresden Blasewitz dafür bereitstellte, habe ich leider vergessen. Aber an das Philosophieren mit Prof. Timm erinnere ich mich noch. Überhaupt war der Austausch mit den Lehrern immer sehr intensiv. 

Ich habe mich auf polychromierte Holzskulpturen spezialisiert und hatte dann bei Frau Meier und ihrer Assistentin Frau Maubach Unterricht. Als ich im 5. Studienjahr war, hat Frau Meier die Hochschule verlassen und so habe ich mein Diplom bei Prof. Möller abgelegt. Das ergab sich einfach, weil mein Diplomobjekt auf dem Weg ins Kloster Chorin lag, wo Prof. Möller Jan Raue im Diplom betreute. Das war für Prof. Möller dann immer eine Tour gemeinsam mit dem Chauffeur der Hochschule und Prof. Möller auf dem Beifahrersitz, eingedeckt mit Unmengen an Landkarten, da sich der Chauffeur irgendwie stets verfahren hatte.

Typischer Spruch oder Merkmal des Profs oder anderer Lehrenden?

Einen typischen Spruch oder Merkmal fällt mir zu keinem ein. Ich habe bei allen Professoren und Dozenten sehr viel Wissen vermittelt bekommen.

Am Ende meines Berufslebens kann ich das nur betonen: wir haben eine sehr fundierte und gründliche Ausbildung erfahren. An dieser Stelle möchte ich erwähnen: Frau Schramm im Labor besaß für uns Studenten ein großes Herz und hatte ein offenes Ohr auch für persönliche Probleme.

Wo fand Ihr Unterricht statt?

Unser Unterricht fand sowohl auf der Brühlschen Terrasse als auch in der Güntzstraße statt. Manchmal sind wir auch in den Pausen zwischen Brühlscher Terrasse und Güntzstraße gewechselt. Zu Fuß waren wir meist schneller als mit der Straßenbahn und dem mehrfachen Umsteigen und schleppten unsere Zeichenmappen zwischen den Unterrichtsstätten hin und her. 

Wie waren die Räume ausgestattet?

Prof. Sandner, Prof. Möller, Prof. Schramm, Frau Meier und alle anderen Lehrer haben vor allem durch ihre persönlichen Kontakte dafür gesorgt, dass die Restaurierungsmaterialien und Ausrüstung stets vorhanden waren. Und fehlende Dinge wurden durch Improvisation überbrückt.

Ich habe die technische Ausstattung nicht mangelhaft erlebt. Uns wurde aber auch die Fähigkeit vermittelt, Problemlösungen zu finden und nicht nur einfach in den Katalog zu schauen, um Werkzeug und Material zu bestellen.

Die internationalen Fachzeitschriften und sehr viele Bücher brachten die Gastdozenten aus der Bundesrepublik, der Schweiz und Österreich mit.

Welche Studienrichtungen und -inhalte gab es?

Am Anfang des dritten Studienjahres haben wir uns aufgeteilt in die drei Spezialisierungsrichtungen. Drei Kommilitonen haben sich auf Gemälderestaurierung spezialisiert bei Prof. Sandner. Vier sind zu Prof. Möller in die Spezialisierung Wandmalerei gegangen. In der Spezialisierung Polychromierte Holzskulpturen waren wir zu zweit. Die Gruppe war im Unterricht größer, da Frau Meier uns jahrgangsübergreifend zusammenfasste.

Mit Frau Meier waren wir dann auch zum Praktikum auf Burg Gnandstein. Da uns bei diesem Praktikum kein von den Eltern geborgtes Auto zur Verfügung stand, wanderten wir mit Frau Maubach im nebligen Herbstwetter von Gnandstein nach Kohren-Salis zum Moritz-von-Schwind-Pavillon.

Frau Maubach reiste im Dezember 1990 mit der Spezialisierungsgruppe nach Nürnberg ins Museum, wo wir uns auch mit den dortigen Studenten trafen. Um die Reisekosten so minimal wie möglich zu halten, nutzten wir die Christkindlesmarktfahrt eines Reiseunternehmers und kamen für 5 Mark nach Nürnberg hin und zurück.

Studientreffen im September 2012, 20 Jahre später. Foto: privat

Wie viele Studierende gab es und wie hießen Ihre Kommiliton:innen?

Mit mir nahmen neun weitere Kommilitonen das Studium auf, von denen nur einer, Dirk Westermann die Restaurierung verließ, um bis heute als freier Maler zu arbeiten. Wir waren drei Mädels: Algis Wehrsig, Mechthild Minor-Noll und ich und mit uns studierten sechs Jungs: Gunnar Heydenreich, Dirk Jacob, Gunter Preuß, Falk Stephan, Andreas Weiß und Andreas Kusch. Mit Dirk und Andreas verbanden mich auch gemeinsame Zugfahrten in unseren Heimatort Berlin.

Wir haben uns alle zehn von Anfang an sehr gut verstanden und gemeinsame Abende, wo wir Studienaufgaben erledigten, so bei Mechthild im Haus ihrer Eltern, bei Falk, in der Wohngemeinschaft von Andreas, Andreas und Gunnar haben dann auch zu einem guten Zusammenhalt geführt. Bei Andreas, Andreas und Gunnar haben wir uns regelmäßig zum Malen und Zeichnen getroffen mit dem Rücken am warmen Kachelofen, während auf dem Ofen die Weinballons leise blubbernd gärten. Wir treffen uns noch heute regelmäßig.

Wir waren ein sehr eigenständiger Jahrgang. So sollten wir zum Beispiel unser künstlerisches Zeichenpraktikum in einem Betrieb in Freital absolvieren und die sozialistischen Arbeiter und ihre Produktionsinstrumente zeichnen (während unsere Vorgänger alle in der Natur malen durften). Da haben wir uns selbständig für eine Woche in der Bremsdorfer Mühle (einer Jugendherberge) im Schlaubetal eingemietet und schliefen dort alle zusammen in einem Bauwagen. In der zweiten Woche waren wir in der Altmark. In Bremsdorf haben uns dann die Lehrer Herr Jacob, Herr Jockusch im Wartburg von Herrn Tippel besucht. (Unsere Dozentin Frau Bondzin kam nicht mit, sie hat den Fahrkünsten von Herrn Tippel nicht vertraut.)

Die drei Lehrer spendierten uns großzügig Bratwurst am Lagerfeuer der Jugendherberge. Wir wiederum sind von der Mühle in das Kloster Neuzelle gefahren, wo unser Dozent Herr Schreiber gerade als Restaurator arbeitete. In der Jugendherberge in der Bremsdorfer Mühle haben wir unsere Übernachtung mit je einem Bild „bezahlt“.  Unsere Zeichnungen schmückten dort lange die Wände. Leider ist die Mühle vor zwei Jahren abgebrannt. 

Gab es während Ihrer Studienzeit in Dresden Ereignisse, die zwar nichts mit Restaurierung zu tun haben, Ihnen aber gut im Gedächtnis geblieben sind?

Unmittelbar vor meiner Studienzeit war die Eröffnung der Semperoper, deren Theatervorhang von Franz Tippel gemalt worden war, bei dem wir künstlerisches Grundlagenstudium hatten. Viele Restauratoren, bei denen wir Kurse oder Praktika absolvierten, haben an der Semperoper mitgearbeitet.

In meine Studienzeit fiel die Wendezeit, die im frühen Herbst 1989 mit großen Diskussionen auch an der Hochschule begann. Ich erinnere mich, dass mein Vater mich im Oktober an der Hochschule abholte und mich eindringlich bat, mich an keinen Protesten zu beteiligen, da alle Protestierenden in Lagern weggesperrt werden sollten, was ich damals als Unfug abtat, die Pläne sich aber später als wahr herausstellten.

Die Zeit vor dem Mauerfall war eigentlich schlimm. Auf den Dresdner Straßen stapelten sich die Möbel als Sperrmüll, derer die über Ungarn oder die Tschechoslowakei in den Westen flüchteten…

Im Labor gründete sich das Neue Forum. Wir schauten Tarkowski-Filme, die, ich glaube zu erinnern, auch in der Hochschule gezeigt wurden, und debattierten die politischen Verhältnisse.

Den Mauerfall selbst habe ich in Berlin erlebt. In den ersten Wochen nach der Maueröffnung ließen wir Herrn Jacob mit dem, für uns bestellten Aktmodell allein in der Hochschule zurück und kosteten die neugewonnene Reisefreiheit aus, indem wir durch Westberlin und die Bundesrepublik reisten.

Die Veränderungen danach in Dresden verfolgten wir aufgeregt, neugierig und kontrovers diskutierend.

Mit der deutschen Einheit begann dann an der Hochschule die Zeit der unglaublichen Unsicherheit über den Fortbestand der Studienrichtung Restaurierung, über die Anerkennung unserer Berufsabschlüsse, die Zusammensetzung des Lehrkörpers, die auch uns Studenten in den Strudel mit hineinzog.

Gab es in dieser turbulenten Zeit ein für Sie prägnantestes Studienerlebnis?

Ein prägnantestes Erlebnis habe ich nicht: es gab viele Erlebnisse. Dazu gehörten die Bus-Exkursionen mit Prof. Heinrich Magirius nach Freiberg, Görlitz, Bautzen, Weimar, Wörlitz, die minutiös durch die Sekretärin Frau Liepe geplant waren, die Frühstücksbeutel verteilte und am Bus energisch darauf achtete, dass wir im Zeitplan blieben. In die angemieteten Busse kletterten an diesen Exkursionstagen die Restaurierungsstudenten aller Jahrgänge, die Werksstudenten und der gesamte Lehrkörper.

Im März 1990 besuchte eine größere Gruppe Studenten die Schweiz. In Bern trafen wir Ivo Mohrmann. Wir waren in die Berner Hochschule von Ulrich Schießl eingeladen, der am Ankunftstag für uns Pasta kochte und reisten mit ihm und den Schweizer Kommilitonen nach Freiburg, Zürich, Basel, Lausanne. Im Rückblick denke ich besonders gern an die Besichtigung der Abegg-Stiftung und des Tinguely-Museums in Freiburg sowie an die Fahrt entlang des Genfer Sees.

Plakat zu einem der Frühlingssalons an der HfBK Dresden

In besonderer Erinnerung sind mir die Frühlingssalons der Hochschule geblieben, an denen wir teilnahmen. Das war ein Ausstellungsforum für alle Studenten aller Fachrichtungen an der HfBK.

Wir besaßen an der Hochschule viel Freiheit, uns auch zu, in der DDR unbequemen Themen zu äußern. So erinnere ich mich an das Projekt unserer Seminargruppe für den Frühlingssalon, gegen die erhebliche Umweltverschmutzung der Elbe zu protestieren. Von der Russischlehrerin der Hochschule erhielten wir dafür ein Aquarium, in das ich eine Handvoll Stichlinge und einen kleinen Barsch einsetzte, die allerdings die erste Nacht im Frühlingssalon nicht überlebten. Für diese und andere Aktionen spannte Prof. Sandner als Rektor der Hochschule über uns seinen großen Schirm, um uns vor Ungemach zu bewahren.

Ihr persönlicher Lieblingsort in Dresden?

Ich war während meines Studiums sehr viel im Kino Schauburg in der Neustadt. Es war warm im Kino und die Kinokarten billig. Die längste Wand meines Zimmers bestand aus einer einfach gemauerten dünnen Wand zwischen Innenräumen, die nach der Bombennacht im Februar 1945 als Außenwand stehenblieb. Trotz intensiven Heizens des Kachelofens überschritt die Temperatur im Zimmer niemals die 10 Grad Celsius im Winter.

Wie war der Austausch national und international?

Der nationale Austausch war dadurch gegeben, dass uns die wichtigsten Restauratoren des Landes in Vorlesungen und im Blockunterricht unterrichteten.

Die Professoren hatten in den 1980er umfangreiche Kontakte zu den restauratorischen Ausbildungsstätten in Wien, Bern, Stuttgart, Köln, Kopenhagen und zu den wichtigsten Restaurierungszentren in München, Nürnberg, Düsseldorf… aufgebaut. ( Meine Aufzählung ist hier nicht vollständig.)

Prof. Schramm und Prof. Sandner reisten in meiner Studienzeit am Ende der 80er Jahre selbstverständlich zu Vorträgen und Vorlesungen in die Bundesrepublik, Schweiz und nach Österreich und brachten von dort technische Geräte mit wie z.B. Kameras und Rekorder, die sie sofort nach ihrer Rückkehr vor uns Studenten im Unterricht einsetzten. Durch diese persönlichen Kontakte der Professoren kamen dann auch die westeuropäischen Professoren zu Gastvorträgen bzw. Vorführungen von technischen Neuentwicklungen nach Dresden. Sie brachten Restaurierungsmaterialien mit und viel Fachliteratur.

Diese Gastvorlesungen waren von allen Jahrgängen immer sehr gut besucht und bedeuteten für uns Studenten ein gewisses Lupfen des Vorhanges, einen Blick über den Tellerrand.

Wir strömten in diese Vorlesungen. In meiner Erinnerung waren viele westeuropäische Restauratoren zu Vorträgen in der Hochschule. Die Erkenntnisse, die sie uns vermittelten, erleichterten meinem Jahrgang den Start ins Berufsleben nach der Wende auf einem europäischen Berufsmarkt. Durch diese Vorlesungen und durch die Fachliteratur kamen wir ziemlich schnell mit den westeuropäischen Anforderungen zurecht.   

Wie intensiv ist Ihr Kontakt zu Kommiliton:innen, Dozent:innen oder der Hochschule heute?

Den Kontakt zu meinen Kommilitonen habe ich ja schon erwähnt. Wir treffen uns in regelmäßigen Abständen mit unseren Lehrern an einem Wochenende im sächsischen Umland. Viele Jahre konnte ich noch Herrn Prof. Schramm und seine Frau mit meinen Fragen, zu, in meinen restauratorischen Untersuchungen, unklaren Ergebnissen oder nach Vergleichsbeispielen anfragen. Sie haben stets sehr geduldig mit mir alle Problemstellungen geklärt.

Wie viele Praxiseinheiten gab es vor und während des Studiums?

Es gab in jedem Studienjahr mehrere Praktika. Das erste Praktikum begann mit dem mehrwöchigen Konservierungspraktikum in der Kirche in Gera im ersten Studienjahr, wo wir unter Anleitung von Prof. Sandner und Frau Meier die Farbfassung des mittelalterlichen Altares konservierten. Tage zuvor packten wir unter Anleitung von Frau Meier unsere Ausrüstung in Plastikwannen und Eimer.

Am Anreisetag quetschten wir uns und unsere Ausrüstung in den Barkas von Falks Eltern und fuhren mit den Füßen auf unseren Taschen über die holprige Autobahn an den strahlenden Uranabbauhalden vorbei nach Gera. Das, was an Ausrüstung nicht in den Barkas hineinpasste, stopften wir zuvor auf dem Hof in der Güntzstraße in den Trabant von Frau Meier. Was wir vergessen hatten, brachte später Prof. Sandner mit.

Es gab am Ende der Semester studentische Praktika. Diese absolvierte ich im Institut für Denkmalpflege in Berlin und arbeitete in dieser Zeit sowohl im Institut in der Brüderstraße als auch mit den Restauratoren des Institutes in der Kirche in Vehlefanz, wo dann auch mein Diplomobjekt herstammte.

Welche großen Namen aus der Restaurierung und Denkmalpflege aus Ihrer Studienzeit fallen Ihnen ein (in Dresden und auch national sowie international)?

Um nicht die aufgezählten Namen aus den früheren Blogs zu wiederholen, möchte ich an dieser Stelle nur die aufzählen, die mich außerhalb der Hochschule stark beeinflusst haben. Das waren Wolf-Dieter Kunze, der Leitende Restaurator des Institutes für Denkmalpflege Berlin, sein Mitarbeiter Werner Ziems sowie Ingo Timm der Chefrestaurator des Märkischen Museums in Berlin als Restauratoren, Frau Möller, die an der Betreuung meiner Diplomarbeit Anteil nahm, Herr Badstübner, Frau Dr. Sachs als Kunsthistoriker und natürlich die vielen westeuropäischen Fachautoren, deren Bücher, wir bereits in der DDR lesen konnten, da viele von ihnen als Gastdozenten in Dresden Vorlesungen hielten und Bücher mitbrachten. 

Ihr Lieblingsmittagsdomizil?

Das Lieblingsmittagsdomizil war der runde Tisch in unseren Ateliers sowohl in der Güntzstraße als auch auf der Brühlschen Terrasse. Überall gab es alte runde Tische mit uralten Sesseln und Sofa von unseren Vorgängern.

Die Hochschule besaß keine eigene Küche und Mensa. Wir sind in der Güntzstraße über die Straße in die Mensa der TU gegangen. Im ersten Studienjahr mussten wir in den Pausen beim Geschirrspülen helfen.

Ich bin nach diesen Diensten nicht mehr in der Mensa essen gewesen. In Erinnerung sind mir noch die angebohrten Alu-Löffel, da man hoffte, dass löchrige Löffel nicht gestohlen werden. Ich ärgere mich noch heute, dass ich solch ein Unikat nicht besitze.

Was wünschen Sie dem Studiengang in Dresden zum 50. Jubiläum?

Ich wünsche dem jetzigen Studiengang und den nachfolgenden viel Neugier und Offenheit! Ich wünsche allen nachfolgenden Jahrgängen stets eine wissenschaftlich fundierte und praxisnahe Ausbildung.

Annett Xenia Schulz 2024 vor dem Portal der HfBK Dresden.

Zur Person Annett Xenia Schulz:

Akademischer Grad: Diplom-Restauratorin

Fachrichtung: polychromierte Holzskulpturen

Beruflicher Werdegang:

1984 Abitur an der EOS in Eisenhüttenstadt

1984-86 Lehre als Maschinenbauzeichnerin (Konstruktion) im Eisenhüttenkombinat Ost

1986-87 Vorpraktikum im Märkischen Museum

1987- 1992 Studium der Restaurierung an der HfBK Dresden

seit 1992 freiberuflich tätig,
Erarbeitung der Werksverzeichnisse verschiedener Kirchenmaler die in der Provinz Brandenburg auch als Restauratoren in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in der Denkmalpflege tätig waren, verschiedene Veröffentlichungen in Zeitschriften zu diesen Kirchenmalern und zur Geschichte der Restaurierung in der kirchlichen Denkmalpflege der Provinz Brandenburg im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert.

Die Fragen stellten für den VDR Patricia Brozio und Mirjana Preibusch.

In der Serie 50 Jahre Restaurierungsstudium – Fragen an Alumni aus 5 Jahrzehnten sind außerdem erschienen:
Marlies Giebe über Anfangsjahre an der HfBK Dresden
Daniela Arnold: So war mein Studium in den 1990ern
Annemarie Huhn über das Studium in den 2000ern
Jonas Roters über das Hochschulleben von 2007-2013

Hinterlassen Sie einen Kommentar